VERBRAUCHER

Berlin . Die Bahn dreht an der Preisschraube. Im Durchschnitt erhöhen sich die Preise zum 1. April im Fernverkehr.

Seit dem großen Bahngeburtstag am Mittwoch vergangener Woche weiß alle Welt, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder bekennender Eisenbahner ist. Er fahre selbst oft mit dem ICE von Hannover nach Berlin und umgekehrt, hatte der Autokanzler anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Bahn AG verraten. Heute werde man auf der Fahrt sogar gefragt, ob man eine Tasse Kaffee haben wolle. "Über die Preise will ich mich jetzt nicht verbreiten", scheute sich der Kanzler jedoch nicht vor einem Seitenhieb. Wundern wird sich Schröder ab dem 1. April allerdings nicht mehr nur über den Kaffeepreis, sondern vermutlich auch über den seines Tickets. Das Unternehmen gestaltet nämlich wieder einmal seine Tarife neu, so dass unter anderem der Grundpreis für Strecken von 200 bis 400 Kilometern um 2,1 bis 4,4 Prozent steigen wird. Und weil zwischen Hannover und Berlin 263 Bahnkilometer liegen, muss auch der Regierungschef bald tiefer in die Tasche greifen. Wieder eine Reform der Reform bei der Bahn: Unter 200 Kilometer sinken die Tarife zwar leicht um 1,6 Prozent, darüber steigen sie, und bei mehr als 400 Kilometern beträgt die Erhöhung im Schnitt sogar 5,8 Prozent. Allerdings greift von 700 Kilometern an ein neuer bundesweiter Höchstpreis von 111 Euro. Beim galanten Bahngeburtstag im Super-Luxus-Hotel Riz am Potsdamer Platz war davon letzte Woche natürlich noch keine Rede. Um ja keine Kritik aufkommen zu lassen, bemühte sich Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch deshalb gestern darum, die Erhöhung als eine "sehr kurzfristig entschiedene" zu bezeichnen - den angezogenen Energiekosten zolle man vor allem Tribut. Kritiker nannten die Entscheidung allerdings ein "falsches Signal" (Verkehrsclub Deutschland) und "nicht besonders sensibel" (Gewerkschaft Transnet). Nur der Fahrgastverband Pro Bahn sprach von "normalen Steigerungen". Die zunehmenden Kosten für Energie und Personal müssten halt ausgeglichen werden. Allenthalben erntete die Bahn übrigens Kritik für eine weitere Maßnahme: Reservierungen für einen Sitzplatz am Schalter und im Reisebüro kosten künftig drei statt 2,60 Euro; an Automaten und im Internet sind sie ab April aber gratis. Vertriebskosten will man so sparen. Hinter dem Vorgehen des Konzerns stecken nicht nur gestiegene Kosten. Es ist vielmehr der massive Einbruch beim Fernverkehr. Mehdorn hofft, über die neuen Preise diese Sparte endlich auf Gewinnkurs zu bringen, damit er 2005 die Bahn an die Börse bringen kann. Zumal für 2003 noch einmal ein operativer Verlust von 200 Millionen Euro erwartet wird. Jetzt hofft Mehdorn auf Mehreinnahmen im Fernverkehr in zweistelliger Millionenhöhe. Hinzu kommt der Glaube, mit neuen Preisen gegenüber den Billigfliegern und dem Auto besser bestehen zu können - vor allem bei langen Strecken, wo künftig die günstige Preisobergrenze gilt. Nur: Zum Teil deutlich teurer werden eben Verbindungen zwischen 200 und 700 Kilometern. Und diese Routen stehen nicht selten auch auf den Flugplänen der Billig-Airlines.

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