Justiz Nach Tod eines Badegastes: Freispruch für Wittlicher Schwimmmeisterin

Wittlich · Das Amtsgericht Wittlich hat die Wittlicher Schwimmmeisterin, die wegen des Todes eines Badegastes im Februar 2017 im Vitelliusbad wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt worden ist, heute Vormittag freigesprochen.

 Vitelliusbad Stand Mai 2018 Foto: Klaus Kimmling

Vitelliusbad Stand Mai 2018 Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling/klaus kimmling

Das Gericht folgt damit dem Antrag der Verteidigung.

Was passiert war Im Februar 2017 hatten Badegäste eine leblose Person am Beckenboden entdeckt. Nachdem ein damals 13-jähriger  Zeuge zwei Mal vor der Kabine gestikuliert hatte, in der sich die angeklagte Schwimmmeisterin aufgehalten hatte, kam diese heraus, sprang ins Becken und barg den leblosen 78-Jährigen vom Beckenboden. Sie zog ihn über die gesamte Beckenlänge bis zu einer Treppe, wo sie ihn mithilfe anderer Personen aus dem Wasser herauszog. Noch als sie im Wasser war hatte sie eine andere Angestellte des Bades beauftragt, den Notarzt zu verständigen. Dieser traf auch schon wenige Minuten, nachdem der leblose Mann außerhalb des Wassers lag, ein und reanimierte den 78-Jährigen. Im Krankenhaus ist der Mann, der an einer Vorerkrankung gelitten haben soll, dann dennoch verstorben. Jetzt hat sich das Gericht mit der Frage befasst, ob bei der Schwimmmeisterin ein Fall von unterlassener Hilfeleistung vorliegt. Dazu hat das Gericht am zweiten Verhandlungstag mit dem Notarzt am Einsatzort und einem Notfall-Sanitäter weitere Zeugen gehört.

Notarzt Er habe den 78-Jährigen und die Schwimmmeisterin am Beckenrand vorgefunden. Beide seien nass gewesen, sagt der Notarzt. Auf Nachfrage habe die 51-jährige Angeklagte gesagt, sie habe bis zu dem Zeitpunkt nicht reanimiert. Auf die Frage der Richterin, ob er erwartet hätte, dass die Schwimmmeisterin dies hätte tun sollen, sagt der Notarzt: „Ich habe nicht einschätzen können, wie lange der Bewusstlose dort schon gelegen hat.“  Auf die Frage der Staatsanwältin, ob etwas außergewöhnlich gewesen sei, antwortet er: „Ein Badeunfall ist außergewöhnlich.“ Reanimation sei anstrengend. Leitlinien schrieben bei den Helfenden einen Wechsel nach zwei Minuten vor. Die Frage des Verteidigers, ob die Angeklagte teilnahmslos gewirkt habe, beantwortet der Notarzt mit „Nein, aber eine solche Situation ist für die meisten Leute schockierend“.

Erste-Hilfe-Lehrer Der Einsatz eines Defibrillators, der sich im Bad befindet, setze voraus, dass beide Personen sich in einer nicht leitenden Umgebung, also nicht in einer Wasserlache, befinden. Sei ein Defibrillator nicht zur Hand oder der Einsatz nicht möglich, sei mit einer Herz-Lungen-Massage zu beginnen. Auf die Frage des Rechtsanwalts, wie eine solcher Vorfall und die Rettung auf die Psyche wirkt, sagt der Notfall-Sanitäter, lediglich ein bis zwei Prozent aller Laien führten eine Reanimation aus. Das sei unabhängig vom Ausbildungsstand der jeweiligen Personen und gelte auch für ausgebildete Krankenschwestern und -pfleger. Denn Reanimation sei für die Helfenden großer Stress. „Man kann froh sein, wenn überhaupt etwas gemacht wird.“

Plädoyers Staatsanwältin Frauke Straaten sagt in ihrem Plädoyer, die Angeklagte habe zwei Fehler begangen. Zum einen habe sie direkt auf den 13-Jährigen hören müssen, der vor der Kabine gestikuliert habe. Dies sei jedoch strafrechtlich nicht relevant. Allerdings wäre eine Herz-Lungen-Massage des 78-Jährigen erforderlich gewesen. Diese sei nicht gemacht worden. Die Hauptaufgabe der Schwimmmeisterin sei es, für Sicherheit zu sorgen. „Diese Hauptaufgabe haben Sie verletzt.“ Straaten forderte deshalb eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro, wobei Verurteilte mit mehr als 90 Tagessätzen als vorbestraft gelten. Rechtsanwalt Michael Angele erklärte dagegen, dass seine Mandantin sich keinesfalls der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht habe. Unterlassene Hilfeleistung sei, wenn – wie im Vorjahr in Nordrhein-Westfalen geschehen –  in einem Bankfoyer Menschen über eine kollabierte Person hinweggehen und gar nicht nach ihr schauen würden. Im Gegensatz dazu habe die Bademeisterin die leblose Person vom Beckenboden geborgen, quer durch das Becken geschleppt und neben den Beckenrand gelegt. „Sie hat ihren Job gemacht“, sagt Angele. Zudem verweist er auf die besondere Situation, in der sich seine Mandantin befunden habe und „auf die auch drei Zeugen hingewiesen haben“. Möglicherweise habe sie falsch entschieden, als sie keinen Defibrillator geholt habe, aber „ist das unterlassene Hilfeleistung?“

Begründung In ihrer Urteilsbegründung geht Richterin Silke Köhler nochmals auf die Bergung des Verstorbenen durch die Angeklagte  sowie die Ausnahmesituation und den schnellen Zeitablauf bis zum Eintreffen des Notarztes ein. „Ich meine, dass der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung nicht erfüllt ist“, sagt Köhler. Den Mann aus dem Wasser zu bergen, habe die Angeklagte zudem erschöpft. „Man kann auch überfordert sein.“ Die Angeklagte hätte zwar mit der Reanimation anfangen können, sagte Köhler, „ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass Sie nichts machen wollten. Sie haben so gehandelt, dass ich meine, der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung ist nicht erfüllt.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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