Forscher und Förster vereint

Trier · Noch im 19.Jahrhundert waren weite Teile von Rheinland-Pfalz durch Übernutzung entwaldet. Doch dank der Einsicht in die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit kommen inzwischen auf jeden Landesbewohner wieder durchschnittlich 2100 Quadratmeter Wald - fast das Doppelte des Bundesdurchschnitts.

Der am weitaus meisten verbreitete Baum ist die Buche, die 29 Prozent der Wälder stellt, gefolgt von Fichten (21 Prozent), Eichen (16 Prozent) und Kiefern (13 Prozent).

Doch dieses Verhältnis könnte sich bald deutlich ändern, bedingt durch den Klimawandel – denn der wird sich wohl auch im regionalen Forst unerbittlich auswirken. Das ist zumindest die Überzeugung von Professor Joachim Hill: „Es gab noch nie eine derart starke Änderung des Klimas in so kurzer Zeit wie heute – das verändert auch die Wachstumsbedingungen für unsere Bäume grundlegend, und davon ist die Buche besonders betroffen.“ Hill leitet die Abteilung Fernerkundung am Fachbereich Geowissenschaften, in der er zusammen mit 18 weiteren Mitarbeitern Satellitendaten auswertet und Grundlagen für die Entwicklung von Anpassungmassnahmen erstellt. Fernerkundung, das ist der Fachbegriff für die berührungsfreie Beobachtung der Erdoberfläche und der Atmosphäre – vor allem aus der Perspektive von Flugzeugen und Satelliten. So werden etwa Infrarotaufnahmen oder laserbasierte Vermessungsdaten ausgewertet und mit bestehenden Datenbeständen abgeglichen, um geographisch interessante Entwicklungen darzustellen.

Hill legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass gerade die Herausforderungen des Klimawandels eine interdisziplinäre Kooperation zwingend notwendig machen, die Fernerkundung ebenso wie andere Fachdisziplinen also nicht einsam vor sich hin werkeln könne. Das funktioniere innerhalb des Fachbereichs „abseits aller Profilneurosen“ sehr gut, beispielsweise beim Zugriff auf die Daten der „Umweltmeteorologie“, die globale Klimamodelle auf rheinland-pfälzischen Maßstab herunterrechnet („Downscaling“). Aber auch bei Projekten wie dem von der EU geförderten „ForeStClim“ sei die Zusammenarbeit stimmig: Dieses befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und vereint dabei 21 Partner aus 5 Ländern: Forstverwaltungen, Entscheidungsträger und Forscher. Zusammen sucht man nach Antworten auf Entwicklungen wie die, dass extreme Wetterlagen in Zukunft zunehmen werden. „Wir erwarten ja langfristig einen Anstieg der jährlichen Durchschnittstemperatur um zwei Grad. Da werden wir beispielsweise Wetterlagen wie den extrem heißen und trockenen Sommer 2003 in Zukunft wohl nicht nur alle 10 bis 15 Jahre, sondern sehr viel häufiger haben.“ Das hätte erhebliche Folgen, wie die Erkenntnisse der Fernerkundung zeigen, für einen bislang ertragreichen Baum wie die Buche. „In den kühlen Höhenlagen des Hunsrück wie etwa dem Idarwald wird sie sicher noch ertragreich wachsen und das Ökosystem prägen.“ In den trockeneren Lagen wie etwa am Donnersberg (im Nordpfälzer Bergland) könnte das sich wandelnde Klima ihr aber so zusetzen, dass sie zunehmend „nicht mehr konkurrenzfähig“ sei. In Zusammenarbeit mit den Trierer Geobotanikern und den Landesforsten Rheinland-Pfalz werden darum experimentelle Messungen durchgeführt – die dann wieder, auch mittels Fernerkundung, begleitend untersucht werden hinsichtlich Wasserhaushalt, Wachstum oder Ökonomie.

Ein aussichtsreicher Kandidat als Thronfolger für die Buche ist die Douglasie: „Die scheint auch unter den zu erwartenden Klimaverhältnissen resistent zu sein und liefert ebenfalls ein vielseitig einsetzbares, wertvolles Holz“, sagt Hill. Auch auf die Edelkastanie werde vermehrt gesetzt – auch wenn die in den letzten Jahren von Kalamitäten geplagt werde: Der „Rindenkrebs“, der die früher in Nordamerika weitverbreitete Kastanie fast völlig ausgerottet hat, verläuft zwar in Europa milder als in Übersee, dennoch macht er deutlich, wie fragil unsere Ökosysteme sind, und wie umsichtig die Menschen vorgehen müssen: „Die Forstleute können ja nicht wie Landwirte kurzfristig reagieren und die Sorte wechseln. Was heute entschieden wird, ist bestimmend für die Holzerträge und den Zustand der Waldökosysteme in 100 Jahren“, mahnt Hill. „Um sich da vernünftig abzusichern, braucht es große Projektverbünde, als Einzelteam kommt man da nicht weiter“, sagt er und verweist durchaus stolz auch auf die ordentlichen Drittmittel, die sich der geo- und biowissenschaftlich geprägte Fachbereich durch überzeugende Konzepte gesichert habe, und die solche Untersuchungen überhaupt erst ermöglichten. In der Tat macht schon die Ausstattung der Abteilung auf ihrer Website Eindruck: Neben einigen Laserscannern, „Sonnenphotometern“ und GPS-Geräten findet sich am Ende der Aufstellung, weil Waldluft ja auch hungrig macht, ein „Schwenker“. Frank Göbel

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