Kommentar: Der Haudegen regiert mit Neulingen

Trier · In Rheinland-Pfalz bricht ein neues politisches Zeitalter an. Erstmals in der Geschichte des Landes werden die Grünen mitregieren, und der Wahlsieg Kurt Becks ist zugleich eine Niederlage des bisherigen Regierungschefs.

Der Wähler beschert den Grünen eine triumphale Rückkehr in den Landtag und platziert sie am Kabinettstisch. Diesen Erfolg verdankt die Öko-Partei keinesfalls nur der Atomkraft-Debatte. Den Grünen werden Glaubwürdigkeit und Kompetenz in der Umwelt- und Energiepolitik attestiert. In ihrem Ergebnis drückt sich ferner der Wählerwunsch nach einem Korrektiv für die zuletzt allein regierende SPD aus.

Obwohl die Sozialdemokraten ernorme Verluste erlitten haben, bleibt Beck Ministerpräsident. Seit 1994 im Amt, hat er den dritten CDU-Herausforderer besiegt, nach Johannes Gerster und Christoph Böhr nun Julia Klöckner. Dank seiner Erfahrung und Erfolgen vor allem in der Bildungspolitik genießt der pfälzische Haudegen weiter das Vertrauen seiner Landsleute.

Beck muss sich aber noch einmal neu orientieren. Unabhängig davon, ob der 62-Jährige wie angekündigt fünf Jahre durchzieht, gilt es, sich auf einen weitgehend unbekannten Partner einzustellen. Dabei wird der Spielraum für das politische Handeln kleiner. Das Land ächzt unter einem hohen Schuldenberg und muss kräftig sparen, um die Schuldenbremse einzuhalten, die ab 2020 neue Kreditaufnahmen verbietet. Finanzielle Eskapaden darf sich das rot-grüne Bündnis nicht leisten.

Gewonnen und doch verloren: Trotz einer erfrischenden Spitzenkandidatin und moderaten Zuwächsen bleiben der CDU nur die harten Oppositionsbänke, auf denen sie seit 20 Jahren festklebt.

Die Zeit war noch nicht reif für Julia Klöckner. Die Hoffnungsträgerin sollte sich vor Schnellschüssen hüten und in aller Ruhe versuchen, eine schlagkräftige Fraktion aufzubauen. Dann dürften ihre Aussichten 2016, wenn die Karten ohne Beck neu gemischt werden, erheblich besser sein.

Schlimm erwischt hat es die Liberalen. Trotz vernünftiger Oppositionsarbeit im Land sind sie vom Berliner Gegenwind und den Ereignissen in Japan aus dem Landtag geblasen worden. Anders als die Linken, die an sich selbst gescheitert sind.

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