KOLUMNE

Das Schlaraffenland liegt bekanntlich dort, wo einem die gebratenen Hühnchen geradewegs in den offenen Mund fliegen.Meine persönliche Vorstellung vom Schlaraffenland ist ein bisschen anders. Ich liebe mehr als alles andere das Hühnerei, und zwar in jedweder Form: weich und hart gekocht, gerührt, gebraten und gespiegelt. Logisch, dass ich stets auf der Suche bin nach dem Nonplusultra-Ei, das sich nicht in Supermarktregalen findet.Ich habe es gefunden: Bei meiner Freundin Claudia. Und seitdem habe ich Dinge über das Huhn, das Ei, über Tischabfälle, Kannibalismus und die Mathematik erfahren, die mich ziemlich verblüfft haben.Claudia hat drei Kinder, die sich, wie alle Kinder, um die Mitarbeit im Haushalt drücken, wo es nur geht. Die aber das Nonplusultra-Ei fast ebenso schätzen wie ihre Mutter und ich.Deshalb hat Claudia sich Hühner angeschafft, gestandene Eifellandhühner. Zwölf Stück leben seit geraumer Zeit in ihrem Garten. Was immer am Tisch übrig bleibt, picken sie auf.Nachdem sich eigentlich niemand so recht für die Hühner zuständig gefühlt hatte - und für die Tischabfälle auch nicht -, machte die Mama einen Vorschlag: Es solle sich doch eines der Kinder komplett um die Tiere kümmern. Der Lohn: Sie zahlt ab sofort für jedes Ei 20 Cent.Josef, nicht blöde, rechnete sich erst einmal aus, ob sich die Sache wohl lohne. Und wie es sich lohnt! Zunächst investierte Josef und kaufte zwei Hühner hinzu. 14 Hühner fressen pro Monat einen Sack Hühnerfutter (der Papa holt´s billig bei der Raiffeisen!), wenn er fleißig jedes Krümelchen vom Tisch weiter verwertet. Über 200 Eier legen sie dafür, das Stück für 20 Cent, und niemand kriegt Rabatt.Gefüttert werden sie aus blankem Eigeninteresse mit allem, was so übrig bleibt, was sich dann liest wie die Speisekarte eines Gourmet-Restaurants: Bratenreste, Erdbeertorte, Trauben oder Kaninchen.Die erstaunlichste Erkenntnis neben der Tatsache, dass der Sohnemann, der immer Mühe mit schulischer Mathematik hatte, schlagartig rechnen konnte: Hühner sind Kannibalen! Hühnerfrikassee gehört zu ihrer Leibspeise. Schnell stieg Sohnemann Nummer 2, Max, mit ein ins dicke Geschäft. Monat für Monat wird kalkuliert, gespart, gefüttert, und die Rechnung geht immer auf. Acht Euro pro Sack Hühnerfutter und Monat, Claudia ist zuverlässig all ihre Tischabfälle los, und die Hühner sind wahrhaft glückliche: Abends sitzen die ansonsten ganz normal pubertierenden Jungs auf der Schaukel, jeder hat ein Huhn auf dem Schoß, Max die Johanna, Josef das nach seiner Mathe-Lehrerin Frau Kröger getaufte, und sie gackern im Gleichklang den Hühnerdamen Gutenacht-Geschichten vor.Die Jungs strafen sämtliche Fachliteratur Lügen, in der davor gewarnt wird, in zu engen Kontakt mit Hühnern zu treten: Das sei dem fleißigen Eier legen nicht eben zuträglich.Das Gegenteil ist der Fall: Johanna, Frau Kröger und ihre Freundinnen legen Eier, was das Zeug hält. Und es sind, lassen Sie es sich gesagt sein, landauf, landab die besten, die ich je in der Pfanne hatte.Übrigens: Sollten Sie nun alle Schulen des Kreises nach einer Mathematiklehrerin namens Kröger absuchen, so werden Sie Pech haben. Ich musste Josef versprechen, den Datenschutz zu wahren, und den Namen seiner Lehrerin zu ändern.Ich hatte damit kein Problem: Denn die wahre Frau Kröger hätte wahrscheinlich nicht den Humor, über das Huhn gleichen Namens zu lachen, das abends von ihrem vermeintlich schlechten Matheschüler den Hals gekrault bekommt. Tja, wenn die wüsste! Petra GeisbüschIn unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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