Die Galopper des Jahres

Köln · Fohlen und Geißböcke begegnen sich in der Natur nicht auf Augenhöhe - und auf dem Platz derzeit auch nicht: Während Borussia Mönchengladbach nach dem lockeren 3:0-Derbysieg in Köln die Ambitionen nach ganz oben untermauert, macht man sich beim FC nach einem erschreckend mutlosen Auftritt Sorgen.

Köln. Geschichte wiederholt sich nicht? Wenn es nach den Fans von Borussia Mönchengladbach geht, dürfte ein Fußballmärchen der 1990er Jahre im nächsten Jahr eine Fortsetzung in anderer Farbe und an einem anderen Ort finden. Spätsommer 1997: Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern siegt zum Saisonstart bei Bayern München mit 1:0, lässt sich auf der Welle tragen und wird später sensationell Meister. August 2011: Fast-Absteiger Gladbach gewinnt bei Bayern München mit 1:0, steht am 14. Spieltag zumindest für knapp einen Tag an der Tabellenspitze und wird im Mai 2012...?
Keine Prophezeiungen, keine himmelhohen Erwartungen schüren - findet Gladbachs Trainer Lucien Favre. Der sagt zwar ungefragt, dass der Auftaktsieg bei den Bayern für jede Menge Selbstbewusstsein bei seinem Team gesorgt hat. Aber das konnte auch jeder der 50 000 Zuschauer beim 3:0 (2:0) in Köln sehen. Zum dritten Mal in Folge gab es einen lockeren Derbysieg gegen den rheinischen Rivalen. Nach dem 4:0 und 5:1 aus der Vorsaison machten es die Gäste vom Niederrhein nur vom Ergebnis gnädiger.
Zum ersten Mal war die Rollenverteilung anders. Spitzenteam gegen Mittelmaß. XXL-Selbstvertrauen gegen blanke Unsicherheit. Nach dem 1:0 durch den Doppeltorschützen Mike Hanke - nach einem Luftloch von FC-Kapitän Pedro Geromel - war die Partie gelaufen. Danach ließ sich der FC auf eine so eklatante Art und Weise hängen, dass Kölns Torhüter Michael Rensing nur noch die Hormon-Phrase eines berühmten Ex-Bayern-Kollegen über die Lippen kam: "Wir hatten keine Eier in der Hose." Auch Lukas Podolski, der die einzige Kölner Chance im ganzen Spiel hatte, monierte: "Wir haben uns in der Vergangenheit nach einem Rückstand hängen lassen. Und diesmal wieder."
Kölner lassen die Köpfe hängen


Warum das so war, dass bei den Kölnern schon frühzeitig der Kopf nach unten ging? Das habe mehrere Gründe, fand Trainer Stale Solbakken. Der fehlende Spielrhythmus nach dem in der Vorwoche abgesagten Spiel gegen Mainz etwa. Oder die anhaltende Rotation in der Defensive, die durch Verletzungen zustande kam. Nicht zuletzt war es aber die Souveränität des Gegners. "Für mich ist Gladbach im Moment die stärkste Mannschaft der Liga."
So müssen sich die Gladbacher ernsthafte Fragen nach den Titelaussichten gefallen lassen. Kein Thema für Favre. "Wir wissen, wo wir herkommen." Bei soviel Fohlen-Euphorie wird mancher Spieler fast schmerzfrei: Marco Reus traf zwar ausnahmsweise nicht, ließ es sich aber nicht nehmen, seinen Kollegen Mike Hanke in die Fankurve zu tragen - obwohl sich Reus in der ersten Halbzeit den kleinen Zeh gebrochen hatte und sein Einsatz im Spitzenspiel gegen Dortmund am nächsten Samstag fraglich ist. Die beiden hatten schon auf dem Rasen Zeit für Spielchen: Die Frage, wer beim Stand von 3:0 einen Freistoß aus gefährlicher Distanz schießen darf, klärten sie untereinander mit einer Runde Schnick-Schnack-Schnuck.
Zumindest aus dieser Szene ergab sich kein weiteres Gegentor für die mutlosen Geißböcke - demütigend genug war das Derby aus Kölner Sicht ohnehin.

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