Europäischer Eiertanz

Bilder von zerrupften Hühnern, die ihr kurzes Leben auf einer Fläche von 21 mal 24 Zentimetern fristen müssen und in Legebatterien zusammengepfercht sind, sollten seit dem 1. Januar eigentlich europaweit der Vergangenheit angehören. Denn zu Beginn dieses Jahres ist eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die bereits 1999 verabschiedet wurde: Mehr Bewegungsfreiheit fürs Federvieh und eine artgerechtere Ausstattung der Ställe. Dies allerdings auf kleinstem gemeinsamen Nenner.

Aber nach Angaben der EU-Kommission werden auch 2012 noch 47 Millionen Hühner verbotenerweise in konventionellen Käfigen gehalten. Die Geflügelindustrie schätzt deren Zahl sogar auf 130 Millionen. 15 Mitgliedsstaaten, darunter auch unsere Nachbarn Belgien und Frankreich, aber auch die Niederlande, Italien oder Großbritannien etwa, scheren sich offenbar einen Dreck um Tier- und Verbraucherschutz, obwohl sie ihn selber mit beschlossen haben.

Deutschland hat die Richtlinie bereits Anfang 2010 in nationales Recht umgesetzt, Batterie-Eier sind seitdem aus den Regalen der Geschäfte verschwunden. Doch aus welcher Haltungsform Eier stammen, die in Lebensmitteln - Nudeln, Pudding, Mayonnaise etc - verarbeitet werden, erfährt der Verbraucher selten. Nur knapp ein Viertel der Hersteller macht darüber freiwillige Angaben.

Man muss kein Tierschützer sein, um auch den industriellen Nahrungsmittelproduzenten ein Mindestmaß an ethischen Grundsätzen abzuverlangen.

Und man muss kein EU-Skeptiker sein, um zu erkennen, dass Europa nach wie vor von nationalstaatlichen Egoismen infiziert ist, die die ganze Gemeinschaft schwächen.

Es sind hier nicht einige schwarze Schafe, die sich über verbindliche Beschlüsse hinwegsetzen, es ist mehr als die halbe Herde.

Zwölf Jahre hatten die Länder Zeit, die Tierquälerei im Legebetrieb zu beenden.

Aber die Langmut der EU auf Kosten der geschundenen Kreaturen hat nicht zu mehr Einsicht oder gesteigerter Handlungsbereitschaft geführt, sondern zu Zögerlichkeit und Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Billigheimer.

Dass Verbraucherschutzminister John Dalli erst jetzt die Sanktionskeule schwingt, obwohl die Entwicklung lange absehbar war, ist ärgerlich genug. Dass gleichzeitig aber eine von Tierschützern geforderte Kennzeichnungspflicht an EU-Recht scheitert, ist ein schlechter Witz.

Wenn die Gelackmeierten immer die sind, die sich an Regeln halten, wenn bereits auf überschaubaren Politikfeldern Chaos herrscht, dann mag man sich gar nicht vorstellen, wie die Union ihre überdimensionalen Probleme - wie beispielsweise die Euro- und Schuldenkrise - in den Griff bekommen soll.

So ist denn auch der Umgang mit dem Verbot von Legebatterien nur ein Beispiel dafür, was Europa eben noch lange nicht ist: ein Zusammenschluss verlässlicher Partner, eine stabile Wertegemeinschaft.

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