Krieg ist Krieg

Es ist das zweite Mal, dass sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg an die Neubewertung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr herantastet.

Kurz nach Amtsantritt sprach er von "kriegsähnlichen Zuständen". Jetzt, nach den schrecklichen Ereignissen am Karfreitag bei Kundus, sagt er, es könne "umgangssprachlich" von Krieg gesprochen werden. Nun kann man ja die Offenheit des Ministers durchaus loben. Aber nur dann, wenn man an seinen Vorgänger zurückdenkt, den glücklosen Franz-Josef Jung, der sich beharrlich geweigert hat, die Realitäten am Hindukusch auch nur ansatzweise anzuerkennen. Und auf Dauer mag Guttenberg mit seiner semantischen Verschleierungstaktik gemäß internationalem Recht auf der sicheren Seite stehen.

Aber politisch wird er so eben nichts gewinnen. Im Gegenteil. Krieg ist Krieg. Es macht in Wahrheit keinen Unterschied, ob über einen "umgangssprachlichen Krieg", einen "nicht internationalen bewaffneten Konflikt" oder "kriegsähnliche Zustände" gesprochen wird. Zumindest nicht aus Sicht der Bürger - und schon gar nicht aus Sicht der Soldaten unter Beschuss: Sie erleben den Krieg täglich in Afghanistan mit all den schrecklichen Folgen für Leib und Leben. Und bei den Menschen an der Heimatfront wächst die Ablehnung des Einsatzes mit jeder neuen Horrormeldung.

Wer angesichts dieser Tatsachen wie Guttenberg klare Worte hülsenhaft eingrenzt, der ist opportunistisch und nicht mutig. Die kalkulierte Forschheit des Ministers passt aber ins Bild der gesamten Debatte über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan: Seit Jahren lobt die Regierung, egal welcher Farbe, die Fortschritte am Hindukusch und beschönigt die vielen Rückschläge. Obwohl die Sicherheitslage im Norden des Landes inzwischen katastrophal zu sein scheint, haben Union und FDP eine neue Afghanistan-Strategie auf den Weg gebracht, in der auch von einer Abzugsperspektive ab 2011 die Rede ist. Jeder weiß: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das die falsche, weil unrealistische Botschaft. Die Ereignisse vom Wochenende bestätigen dies. Das ist nur ein Beispiel, wie unseriös die Debatte über Afghanistan läuft.

Ganz eindeutig fehlt es der Regierung an Instinkt für die Vorbehalte der Bürger, die mit jedem neuen toten deutschen Soldaten, mit jedem weiteren schweren Gefecht wachsen werden. Niemand ist derzeit seitens der politischen Elite offenbar gewillt, die drängenden Fragen ehrlich zu beantworten. Auch Guttenberg nicht. Er glänzt allein dadurch, dass er sich wieder von seinem Vorgänger wohltuend abhebt. Das ist jedoch zu wenig - gerade dann, wenn es um einen Konflikt geht, der mehr als nur umgangssprachlich ein Krieg ist.

nachrichten.red@volksfreund.de

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