Gesundheit

Zur Serie über das Für und Wider von Impfungen (TV vom 17. bis 22./23. Juni):

Mit Bestürzung habe ich als Gynäkologe die Serie über das Impfen gelesen, vor allem über die Impfung gegen den Muttermundhalskrebs, der von humanen Papillomviren (HPV) hervorgerufen wird. Er war vor hundert Jahren die häufigste Todesursache der jungen Frau unter 40 Jahren und ist es heute immer noch in Südamerika. Ich musste in den achtziger Jahren während meiner Klinikzeit in Bonn viel zu viele Frauen in einen jämmerlichen Tod begleiten. Die in den sechziger Jahren eingeführte Krebsvorsorgeuntersuchung war lange die einzige Waffe gegen fürchterliche familiäre Dramen. Damit fischen wir Frauenärzte zehnmal mehr Vorstufen heraus (63 000) als tatsächliche Erkrankungen auftreten (etwa 6000), wenn Frauen nicht oder zu spät zur Vorsorge gehen. Seit Entdeckung des HPV und Entwicklung eines Impfstoffes haben wir endlich eine wirksame Waffe zur Verfügung, müssen aber jetzt verwundert zur Kenntnis nehmen, dass im Trierischen Volksfreund nur über Nebenwirkungen berichtet und der Effekt als nicht sicher angenommen wird, das im Foto gezeigte zahnbespangte Backfisch-Model spricht schmerzverzerrte Bände. Die gesetzliche Pockenschutzimpfung hatte jede Menge Impfschäden und Todesfälle, aber die Pocken sind ausgerottet. Und man muss kein Hellseher sein, um vorauszusehen, dass in Großbritannien und Skandinavien der Muttermundhalskrebs in 20 Jahren ausgerottet sein wird, da diese Länder in einem staatlichen Gesundheitswesen eine Impfpflicht haben. Es wird einfach geimpft, und bei einer Durchimpfrate von 90 Prozent besteht ein "Herdenschutz". In unserem freiwilligen System sehen über 60 Prozent aller Eltern von der Impfung durch Berichte in den Medien über (extrem seltene) Nebenwirkungen ab: Es wird so getan, als sei dies eher die Regel. Sie sind gegenüber den Nebenwirkungen von Nikotin (120 000 Tote pro Jahr), Alkohol (74 000 Tote pro Jahr), Auto (3600 Tote pro Jahr) ein laues Lüftchen, zumal bei den meisten Nebenwirkungen ein Zusammenhang nicht zweifelsfrei geklärt ist. Aber jeder Journalist weiß: bad news are good news: Negative Aussagen werden kritiklos geglaubt ("es ist bestimmt was Wahres dran"), wogegen positive Nachrichten mit Schulterzucken oder skeptisch zur Kenntnis genommen werden. Nicht zu impfen ist aus meiner fachärztlichen Sicht, unter Abwägung des Nutzens und der Risiken, fahrlässig! Dr. med. Rudolf Sauter, Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Trier

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