Tarnen, täuschen, tricksen

Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen - die Chefredaktion antwortet.

Christoph Steil aus Trier schreibt: Lieber Volksfreund, mit großer Freude und gleichzeitiger Verwunderung habe ich die Ausgabe des TV vom 6. Juli gelesen. Im Sportteil war doch tatsächlich einmal ein sportlicher Bericht über eines der überregional vertretenen Aushängeschilder auf der ersten Seite platziert. Wo sonst in den letzten Wochen und Monaten Berichte über eine staatsanwaltschaftliche Durchsuchung in der Geschäftsstelle eines Vereins oder ein Artikel über den an Schnupfen erkrankten Alt internationalen eines Fußball-Viertligisten platziert waren, konnte ich nun endlich mal wieder einen "echten" Sportbericht studieren.

Es scheint, dass das Sommerloch vorbei ist, und dass die Sportredaktion wieder zur "normalen" Arbeit übergeht, anstatt über Belanglosigkeiten und Juristereien zu berichten. Leider verdeutlicht der Bericht über das "Miezen"-Spiel aber auch die Haltung einiger Redakteure. Ähnlich wie bei der Berichterstattung über die jüngsten Vorkommnisse bei den Basketballern wird der TV seiner Rolle als Regionalzeitung nur zum Teil gerecht. Neben einigen wenigen positiven Bemerkungen wird durch die Überschrift und den Beginn des Artikels schon der Abstieg diskutiert. Kein Wort von einem neuen Mannschaftsgeist nach der zerstrittenen Zeit mit Ildiko Barna.

Der Verfasser berichtet lieber über die stupide Frage, ob die "Miezen" absteigen. Keine Erwähnung der guten Arbeit des Trainer- und Betreuerteams, oder dass es nun endlich wieder einheimische Talente in den Kader und sogar auf das Feld geschafft haben. Aber so war es ja schließlich auch in der letzten Zeit.

Überspitzt formuliert könnte ich denken, dass der couragierte Auftritt der Handballerinnen gegen den Champions-League-Finalisten weniger sportlichen Wert besitzt als der entzündete Pickel eines Regionalliga-Fußballers oder der Aufenthalt eines Basketball-Spielers in seiner Geschäftstelle unter Zeugen, oder ohne diese. Zur Rolle der TV-Sportredaktion gehört die faire Unterstützung der sportlichen Aushängeschilder, um das Interesse von Sponsoren und Anhängern zu stärken. Ich hoffe, dass hier schnellstmöglich wieder ein Gleichgewicht einkehrt, und dass die Handballerinnen, so wie die Basketballer, mit der Fußball-Regionalliga in der Presse mithalten können.

Lieber Herr Steil,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich verstehe, dass Sie als "Miezen"-Anhänger am liebsten nur gute Nachrichten über "ihre" Mannschaft lesen würden. Tore, Titel und Triumphe - keine Tränen, Trauer und Tristesse. So ist die Welt aber nun mal nicht. Der TV ist eine unabhängige Tageszeitung und kein Fan-Magazin, das im Hurra-Stil die Siege seiner Lieblinge bejubelt und die Schattenseiten totschweigt.

Was ist wichtig? Was ist nichtig? Sport ist die schönste Nebensache der Welt, heißt es. Schön wär's. Sport, zumindest wenn er professionell betrieben wird, ist längst viel mehr als ein 1:0. Profisport ist Show, knallhartes Geschäft, oft genug ein finanzieller Drahtseilakt, mitunter Doping-Laboratorium, hie und da Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. Das Drumherum gehört zur Berichterstattung. Weil die Leser nicht nur das Ergebnis wissen wollen, sondern auch, wie es zustande kam, was dahintersteckt, wie es weitergeht.

Wenn Fehlentwicklungen zu erkennen sind, werden sie thematisiert - und nicht schöngeschrieben. Im Fall der verpatzten Premiere der "Miezen" etwa die Analyse, dass da wohl eine ganz schwere Saison dräut. Im Fall der Trierer Basketballer, dass - jenseits des sportlichen Geschehens - mutmaßlich nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Ist doch völlig klar, dass wir aufmerken, wenn hochverschuldete Vereine versuchen, sich mit möglicherweise justiziablen Tricksereien über Wasser zu halten.

Alles schon dagewesen in Trier. Die Basketballer stecken seit dem Bundesliga-Aufstieg vor zwanzig Jahren mehr oder weniger tief in den roten Zahlen, Eintracht Trier schrammte mehrmals nur mit viel Glück am Totalschaden vorbei, zwei Eishockey-Klubs hat es spektakulär hinweggerafft, der zweifache deutsche Baseball-Meister Trier Cardinals zog gerade noch rechtzeitig die Reißleine und verabschiedete sich vom bezahlten Sport. Sollen die Medien davor die Augen verschließen? Nein. Derlei wird nicht anders behandelt als Affären und Skandale in anderen Ressorts. Von der großen Berliner Polit-Bühne bis ins lokale Laientheater.

Beispiel TBB Trier: Als vor gut einem halben Jahr erstmals Gerüchte über mögliche Manipulationen kursierten, habe ich unsere Reporter darauf angesetzt, um Licht ins Dunkel zu bringen. Eine investigative Recherche braucht Zeit. Die Informationen liegen nicht auf der Straße, sondern müssen in mühsamer Kleinarbeit zusammengetragen werden - auch weil die Verantwortlichen das übliche Programm abspulen:

Drei-Affen-Strategie = nichts sehen, nichts hören, nichts sagen ...

Umfängliche Dementi = verneinende Bestätigung von Meldungen, die bisher lediglich Gerüchte gewesen sind ...

Salami-Taktik = scheibchenweise zugeben, was sich nicht mehr länger verheimlichen lässt ...

Betroffenheits-Metaphorik = wir hätten nie gedacht, dass so etwas passieren kann ...

Bauernopfer = der König lässt Fußtruppen, im Notfall auch Offiziere über die Klinge springen ...

Dass Journalisten beschimpft werden für das, was sie berichten, ist nicht ungewöhnlich. Das Muster ist bekannt: Der Überbringer der Nachricht wird geprügelt, nicht der Verursacher. Geschenkt! Unser Job ist es, Fakten zu sammeln, nachzuhaken, zu hinterfragen, Antworten zu geben. Bis alle Ungereimtheiten aufgedröselt sind.

Noch einmal: Journalisten verlieren keine Spiele, Journalisten denken sich keine Affären aus. Wir berichten darüber. Sonst nichts.

Mit sportlichen Grüßen!

Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur



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