Der Geheimdienst - ein offenes Buch?

Berlin · Dem Bundesnachrichtendienst (BND) sollen Baupläne für die neue Zentrale in Berlin geklaut worden sein. Dies wäre nicht das erste Missgeschick der Geheimdienstler. Nun lässt die Bundesregierung prüfen, wie brisant die Unterlagen sind und inwiefern dieser Vorfall Konsequenzen nach sich ziehen muss.

Berlin. Der gigantische Komplex wirkt wie eine Stadt in der Stadt. Zehn Hektar ist das Gelände groß, blickdicht abgeschirmt mit meterhohen Zäunen, bewacht von zig Kameras und Sicherheitsleuten. An der Chausseestraße in Berlin-Mitte kann man bereits sehen, dass die vielen Bürogebäude fast fertig sind. Wer künftig im obersten Stockwerk arbeitet, muss vermutlich schwindelfrei sein. Unzählige Fenster wirken zudem wie kleine Schießscharten. Der Bundesnachrichtendienst (BND) lässt in der Hauptstadt seine neue Zentrale bauen - und ausgerechnet dabei wird der Geheimdienst von einer peinlichen Panne erschüttert.
Nicht nur, dass die Kosten für die gewaltigen Neubauten inzwischen explodiert sind - von ursprünglich 500 Millionen auf 750 Millionen Euro im Jahr der Grundsteinlegung 2008 auf nunmehr deutlich über eine Milliarde Euro. Viel schlimmer ist, dass den Schlapphüten offenbar bereits vor einem Jahr hochgeheime Baupläne abhanden gekommen sind. Das Magazin Focus berichtete am Montag, es seien Karten verschwunden, die als Verschlusssache klassifiziert gewesen seien: "VS - Nur für den Dienstgebrauch." Diese Pläne, so hieß es, beträfen vor allem den geheimsten Teil der künftigen Zentrale, das Technik- und Logistikzentrum. Daraus lasse sich "die exakte Funktion jedes einzelnen Raumes" ablesen. Der BND - ein Geheimdienst offen wie ein Buch?
Dass wollte die Bundesregierung am Montag nicht bestätigen. Sie ist aber in Alarmstimmung. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einem ernstzunehmenden Vorgang, wobei es aber noch "viele verschiedene Ausgänge gibt, die das nehmen kann". Der BND, so Seibert, habe eine Untersuchungskommission eingerichtet, außerdem seien andere Sicherheitsbehörden eingeschaltet worden.
Der Vorsitzende des Bundestag-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte Tempo bei der Aufarbeitung: "Es muss jetzt rasch geklärt werden, ob durch den Diebstahl der Pläne die Arbeit des Dienstes gefährdet werden kann", sagte Bosbach. Es sei zudem "hochgradig peinlich, dass ausgerechnet einem Geheimdienst geheime Unterlagen gestohlen werden". Der Vorgang werde nun ein Nachspiel im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages zur Kontrolle der Geheimdienste haben. Bosbach weiter: Sollte die bauliche Sicherheitskonzeption der neuen BND-Zentrale beachtlich verändert werden müssen, "dann können die Folgen für den Steuerzahler erheblich sein". Soll heißen: Noch einmal millionenschwere Mehrkosten wären für einen Umbau fällig.
2013 soll nach bisherigen Planungen der Wechsel großer Teile des BND vom bayerischen Pullach nach Berlin vollzogen werden. 4000 Menschen werden dann in der neuen Zentrale in Berlins Mitte arbeiten, wo zur DDR-Zeit das Stadion der Weltjugend stand. Der Umzug war äußerst umstritten, wegen der Kosten und, weil viele Kritiker darin den Beginn weiterer Abwanderungen staatlicher Institutionen aus der Provinz nach Berlin sahen. Der neue Standort liegt jedoch nur einen Kilometer vom Regierungsviertel entfernt, die Bundesregierung argumentierte damals, dass sich dadurch die Kommunikation zwischen Dienst, Regierung sowie Parlament deutlich verbessern lasse.
Die Affäre um abhanden gekommene Baupläne ist schon jetzt ein herber Rückschlag im Bemühen der Geheimdienstler, bei der Politik wieder mehr Vertrauen aufzubauen. Denn der BND stand in den vergangenen Jahren mehrfach negativ in den Schlagzeilen: Wegen der Bespitzelung von Journalisten, wegen der wenig kooperativen Zusammenarbeit mit dem Parlament oder aber wegen seiner dubiosen Rolle während des Irak-Krieges.

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