Abschied von Rot-Grün

Dieser Mittwoch im Bundestag war nicht nur vom üblichen Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition bestimmt. Vielmehr ging eine politische Ära zu Ende. Rot-Grün ist Geschichte.

Dieser Mittwoch im Bundestag war nicht nur vom üblichen Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition bestimmt. Vielmehr ging eine politische Ära zu Ende. Rot-Grün ist Geschichte. Die SPD mag bis zum 18. September noch aufholen. Einholen, oder gar überholen, kann sie die Union nicht mehr.Das Regierungslager wird immer wieder mit der Frage bestürmt, ob da nicht noch ein As im Ärmel sei, um das Unmögliche möglich zu machen. Aber dieses As gibt es nicht. In seiner Abschiedsrede als Kanzler hat Gerhard Schröder einmal mehr von sieben guten Jahren für das Land gesprochen. Doch wenn dem wirklich so wäre, warum dann vorgezogene Neuwahlen, die als Ausdruck seiner politischen Kapitulation verstanden werden müssen? Im Parlament und auf den Marktplätzen weiß Schröder zwar die rot-grüne Bilanz in schillerndes Licht zu tauchen. Aufschluss über seinen Entwurf für die Zukunft sucht man dagegen vergebens. 1998 war die Situation noch anders. 16 Jahre Helmut Kohl hatten sich wie Mehltau übers Land gelegt. Und der SPD-Kanzlerkandidat versprach, nicht alles anders, aber vieles besser zu machen. Mit dieser Mischung aus Bewahrung und Erneuerung konnten die Bürger gut leben. Doch als das Wachstum ausblieb und die Sozialsysteme ächzten, begann ein Reparaturbetrieb, der das Selbstbild der regierenden Sozialdemokratie nachhaltig beschädigte. Nullrunden bei den Renten, mehr Eigenleistungen im Krankheitsfall, weniger Arbeitslosenstütze. Darauf war die Partei nicht vorbereitet, am allerwenigsten der Bürger. Und als die Einschnitte auch noch weitgehend wirkungslos blieben, kam das rot-grüne Projekt vollends unter die Räder.

Und Angela Merkel? Es ist schon erstaunlich, dass viele Menschen einer Frau zujubeln, die ihnen noch größere Opfer abverlangen wird. Höhere Mehrwertsteuer, weniger Kündigungsschutz und die Aussicht auf eine hoch umstrittene Gesundheitsreform. Vieles läuft dabei noch nicht rund. Jene Gesundheitsprämie zum Beispiel passt mitnichten zu den gleichzeitig angekündigten Steuersenkungen. Eichels riesige Haushaltsdefizite werden in Kürze die Finanzlöcher von Merkel sein. Die Union profitiert jedoch von dem allgemeinen Eindruck, dass Schröders Politik nicht mehr die seiner Partei ist und ein politischer Wechsel deshalb unausweichlich wird. Nach den aktuellen Umfragen wäre es freilich nur ein halbherziger Neuanfang. Am Ende könnte die Stärke der Linkspartei tatsächlich eine große Koalition herauf beschwören. Faktisch gibt es die aber bereits. Denn alle größeren Reformen der vergangenen Jahre wurden von SPD und Union gemeinsam auf den Weg gebracht. So sehr sich viele diese Konstellation auch als offizielles Regierungsmodell wünschen - die Gysis und Lafontaines bekämen dadurch noch mehr Auftrieb. Und die SPD liefe Gefahr, zwischen den politischen Fronten zerrieben zu werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort