"Dafür habe ich dann meine Küche gestrichen" - Ministerpräsidentin Malu Dreyer im TV-Interview

Dreyer: · Hinter Malu Dreyer liegt ein turbulentes Jahr. Im Interview mit TV-Redakteur Florian Schlecht spricht die Ministerpräsidentin darüber, wie eng sie den Hahn an das Schicksal der Landesregierung knüpft, wie sie die AfD stoppen will - und ob ihr noch Zeit für einen Kinobesuch bleibt.

 Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat das Lachen noch nicht verlernt: Über den Sieg bei der rheinland-pfälzischen Landtagswahl im Frühjahr hat sie sich besonders gefreut. Archiv-Foto: dpa

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat das Lachen noch nicht verlernt: Über den Sieg bei der rheinland-pfälzischen Landtagswahl im Frühjahr hat sie sich besonders gefreut. Archiv-Foto: dpa

Foto: ARRAY(0x239f31a20)

Frau Ministerpräsidentin, was bleibt bei Ihnen von 2016 hängen?
Malu Dreyer: Es war ein Jahr mit vielen schönen, aber auch traurigen Momenten. Aber natürlich wird es mir wegen des Wahlsiegs immer in Erinnerung bleiben.
War es der schönste Tag Ihres Lebens?
Dreyer: Nein, das war ganz klar mein Hochzeitstag. Aber in meiner politischen und beruflichen Laufbahn war es mit Sicherheit der schönste Tag. Den Wahlsieg hatten viele für uns verloren gegeben. Umso schöner war es, die Wahl sogar mit einem großen Abstand zu gewinnen und von den Wählerinnen und Wählern das Vertrauen geschenkt zu bekommen, um das Land weiter mit den Menschen gestalten zu können. Das ist wunderbar.
War der Misstrauensantrag der CDU der schlimmste Moment 2016?
Dreyer: Der bitterste Moment war eher der, in dem sich andeutete, dass der Hahn-Verkauf an die SYT schiefgeht. Das Misstrauensvotum war nur eine Folge davon. Für mich war es emotional eine schwierige Zeit, weil ich mit der Wahl einen Auftrag bekommen habe und das Vertrauen der Menschen nicht enttäuschen will.
Wie stark hängt das Schicksal der Ampelkoalition am Hahn-Verkauf?
Dreyer: Das Schicksal der Koalition hängt nicht vom Flughafen Hahn ab. Wichtig ist, dass wir in engem Austausch stehen. Wir haben klare Absprachen, wie wir mit dem Thema umgehen.
Kritiker sagen, dass ein Scheitern des Verkaufs für die Landesregierung nicht zu verschmerzen wäre.
Dreyer: Wir können nicht sicherstellen, dass es weltweit einen Bewerber gibt, der den Flughafen betreibt und ihn so betreibt, wie wir es uns wünschen. Der Einfluss eines Verkäufers reicht nicht so weit, um sagen zu können, genau so soll der Käufer später am Hahn arbeiten. Wir können nur alles tun, was uns möglich ist - und wenn es einen ernsthaften Käufer gibt, mit ihm zum Abschluss zu kommen.
Wie geht es mit dem Hahn weiter?
Dreyer: Mitte Januar wird sich zeigen, ob und mit wem wir die finalen Verhandlungen führen. Die Region kann sicher sein, dass das Land hinter ihr steht und alles dafür tut, um eine gute Perspektive zu ermöglichen. Wir begleiten den Verkauf akribisch, haben ein neues Wirtschaftsprüfungsunternehmen beauftragt und lassen uns stärker informieren, als es zuvor der Fall war.
Wie haben Sie die Kritik persönlich verarbeitet?
Dreyer: Damit muss man als Politikerin leben. Der Sommer ist natürlich gänzlich anders verlaufen, als ich es mir vorgestellt habe. Eigentlich wollte ich mit meinem Mann in den Urlaub fahren. Das habe ich abgesagt. Dafür habe ich dann meine Küche gestrichen. Meine Mitarbeiter haben dar-über gelacht, als ich ihnen das erzählt habe.
Weniger zum Lachen dürfte Ihnen zumute sein, dass die AfD im Landtag sitzt. Wie nehmen Sie die Partei im Parlament wahr?
Dreyer: Die Beobachtung von uns allen ist, dass sie von Woche zu Woche aggressiver und radikaler in ihren Äußerungen wird. Nehmen Sie die Wortwahl in der jüngsten Plenardebatte, als AfD-Chef Junge die Familienberatungsstelle ProFamilia als "Abtreibungsverein" bezeichnet hat. Das ist unsäglich.
Roger Lewentz (SPD-Landeschef)hat gesagt, es müsse das Ziel der Genossen sein, dass kein AfD-Politiker mehr im kommenden Landtag sitzt. Ist das realistisch?
Dreyer: Das ist ein Ziel, das jede Partei haben sollte. Im Übrigen hat Roger Lewentz auch gesagt, dass die SPD die Landtagswahl gewinnt - und viele haben müde gelächelt.
Wie soll das Zurückdrängen der AfD gelingen?
Dreyer: Wir müssen mit den Wählern der AfD sprechen und sie zurückgewinnen, womit ich nicht diejenigen meine, die ein geschlossenes rechtes oder radikales Weltbild haben. Ich biete in Trier Sprechstunden an, besuche Bürgerversammlungen und lasse alle Fragen zu. Mit Jugendlichen diskutiere ich in Schulen über Populismus. Wir fragen uns auch, wo Stadtviertel und Straßen sind, in denen sich Menschen in besonderer Weise von der AfD angesprochen fühlen. Die Trierer SPD bleibt seit der Kommunalwahl 2014 im Norden der Stadt am Ball, geht von Haustür zu Haustür und bietet Aktivitäten an. Das Ergebnis bei der Landtagswahl fiel für uns deutlich besser aus. Es bringt etwas, sich für die Menschen ins Zeug zu legen.
Wird das Attentat von Berlin die Gesellschaft weiter spalten?
Dreyer: Das dürfen wir nicht zulassen. Die direkte Verknüpfung mit der Flüchtlingspolitik, die ja leider nicht nur von der AfD, sondern auch von Teilen der CDU und insbesondere der CSU hergestellt wurde und bei der schon eine Neujustierung der gesamten Sicherheits- und Flüchtlingspolitik gefordert wurde, trägt genau dazu bei und ist aus meiner Sicht unredlich und unverantwortlich. Die Terroristen töten Menschen und gefährden Menschenleben. Damit wollen sie auch unsere freiheitlichen Werte und unser friedliches Zusammenleben zerstören. Das muss jedem klar sein, der jetzt auf billigen Populismus setzt.
Haben Sie Angst, dass ein solcher Anschlag in Rheinland-Pfalz passieren könnte?
Dreyer: Eine 100-prozentige Sicherheit kann es nie geben, aber unsere Sicherheitskräfte tun alles Menschenmögliche, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Wir haben in Rheinland-Pfalz die Maßnahmen zur Sicherheit erheblich aufgestockt. Die Polizei hat ihre Präsenz an zentralen Orten spürbar erhöht. Wir bekämpfen den Terror mit allen Mitteln, und dazu gehört es nun vordringlich, dass die Behörden im Bund und in den Ländern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die genauen Abläufe, Strukturen und Hintermänner des Falles aufklären.
Und dann?
Dreyer: Daraus müssen wir dann unsere Schlussfolgerungen ziehen, ob und wie wir die Sicherheit der Menschen in unserem Land weiter erhöhen können. Dazu dient auch eine Sicherheitskonferenz, zu der ich Anfang des neuen Jahres einlade. Mit Vertreterinnen und Vertretern von Polizei, Verfassungsschutz, Justiz und Ausländerbehörden werden wir genau analysieren, welche Konsequenzen wir aus dem Terroranschlag in Berlin ziehen müssen.
Sie haben Multiple Sklerose. Wie geht es Ihnen gesundheitlich nach einem Jahr des Auf und Ab?
Dreyer: Mir geht es so gut wie lange nicht mehr, das Amt gibt mir viel Kraft. Jeder Politiker und jede Politikerin muss hart im Nehmen sein. Das war ich schon immer. Ich achte auch auf meine Ernährung und gehe zweimal in der Woche zur Physiotherapie. Wenn ich morgens ins Büro komme, habe ich in der Regel schon eine Trainingseinheit hinter mir.
Wie häufig sehen Sie als Landeschefin und Bundesratspräsidentin noch Ihre Familie?
Dreyer: Unsere Kinder sind erwachsen und führen ihr eigenes Leben in Trier, Berlin und London. Wir halten Kontakt über die neuen Medien und telefonieren. Und seit mein Mann nicht mehr Oberbürgermeister von Trier ist, ist er auch freier in seiner Zeit. Einmal in der Woche kommt er nach Mainz, was sehr schön ist.
Ist dann auch mal ein Kinobesuch drin?
Dreyer: Klar, ich gehe sehr gerne ins Kino. Der letzte Film, den wir gesehen haben, war im Oktober. "Meine Zeit mit Cézanne". Es geht um eine Künstlerfreundschaft.
Wie verbringen Sie Silvester?
Dreyer: Mit meinem Mann und Freunden.
2017 kommt Ihr erstes Enkelkind. Was für eine Oma wollen Sie sein?
Dreyer: Mein Mann und ich sind außer uns vor Freude, wenngleich ich mich an den Begriff "Oma" sicher noch gewöhnen muss. Wir freuen uns auch sehr, dass es ein Trierer Kind sein wird, dann können wir es häufiger sehen. Und ich denke, ich werde eine ziemlich verspielte Oma sein. florExtra

Was passiert in der Region Trier, was macht Malu Dreyers Fußball-Liebe, wen küren die Deutschen zum Kanzler? Die Landeschefin spricht im TV über ihre Wünsche für … … 2017: "Ich wünsche mir, dass EU und Weltgemeinschaft nach dem schlimmen Jahr 2016 mehr echte Schritte in Richtung Weltfrieden gehen, der Krieg in Syrien endlich aufhört und wir als Gesellschaft zusammenhalten." … das Theater Trier: Ich wünsche dem Theater, dass Ruhe einkehrt, es sich künstlerisch weiter auf hohem Niveau präsentiert und ein Intendant kommt, der die Geschicke positiv begleitet. … Borussia Dortmund: Ich bin ein großer Fan des BVB, auch wenn in meiner Reihenfolge erst der 1. FC Kaiserslautern und Mainz 05 kommen. In der Liga wäre es vermessen, an die Meisterschaft zu denken, dafür sind die Bayern wieder zu weit weg. Aber ich hoffe, dass der BVB die Champions-League gewinnt. … die Gladiators Trier: Die Basketballer haben sich in der 2. Bundesliga wieder toll aufgestellt. Hoffentlich gelingt ihnen irgendwann wieder der Aufstieg. … den künftigen Bundeskanzler: Wer mein Wunsch-Bundeskanzler ist, das verrate ich Ihnen im Januar. florExtra

Malu Dreyers politische Ziele für das neue Jahr: Im Jahr 2017 will die rot-gelb-grüne Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz inhaltliche Akzente in Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur und Klimaschutz setzen, sagt Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Zugleich wolle die Regierung den Landeshaushalt konsolidieren, der bis 2020 ohne neue Schulden auskommen muss. Als Bundesratspräsidentin hält es Malu Dreyer für wichtig, das Regionale stark zu machen - wie etwa bei der jüngsten Einigung bei den Bund-Länder-Finanzen. Zugleich blickt die Präsidentin der Länderkammer auf das Jahr 2017, weil dann die Römischen Verträge 60 Jahre alt werden - die Gründungsdokumente der Europäischen Union. Dreyer hebt zu dem angekündigten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hervor, dass die EU damit erstmals vor der Situation stehe, dass ein Land sie verlasse. "Wir wollen deutlich machen, wie wichtig Europa gerade für uns als Grenzregion ist, aus der heraus Menschen in anderen Ländern leben, arbeiten und studieren." flor

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort