Die Konkurrenten meiden den Dunstkreis des Skandals

Telekom-Chef René Obermann schaute gestern "mal ganz kurz" im Büro von Wolfgang Schäuble (CDU) vorbei. Vor einem zweistündigen Krisentreffen informierte Obermann den Bundesinnenminister über den neusten Stand im Bespitzelungsskandal bei der Telekom.

Berlin. Beide Seiten scheinen inzwischen darauf gefasst zu sein, dass bislang nur die Spitze des Eisbergs in der Affäre um ausspionierte Journalisten und Manager sichtbar geworden ist. Schärfere Gesetze soll es allerdings nicht geben - vorerst. Viel war von dem Krisentreffen im Ministerium gestern nicht zu erwarten gewesen: Während Obermann kommen musste, aber auch schnell wieder gehen durfte, nahm Schäuble selber gar nicht teil. Er überließ es seinem Staatssekretär Hans Bernhard Beus, mit der Branche über Konsequenzen aus dem Skandal zu beraten. Und von der anderen Seite hagelte es jede Menge Absagen: Während die Geschäftsführer der Verbände Bitkom und VATN noch den Weg ins Ministerium fanden, schlugen die Telekom-Konkurrenten die Einladung demonstrativ aus. Niemand wollte sich freiwillig in den Dunstkreis des Skandals begeben. Entsprechend war dann auch das Ergebnis des Treffens: Man vertagte sich auf Anfang Juli, bis dahin soll die Telekom in den Fachgremien der Verbände über die Affäre berichten. Dann will man in einem zweiten Schritt Gespräche mit staatlichen Stellen führen. Keine Selbstverpflichtung der Branche vereinbart

Mehr wurde nicht vereinbart, übrigens auch keine Selbstverpflichtung der Branche für einen besseren Datenschutz. Schärfere Gesetze sind allerdings noch nicht vom Tisch. Sorgfältig und ohne Hektik werde man überlegen, ob gesetzliche Folgerungen aus der Affäre notwendig seien, sagte gestern Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Und Schäuble hatte vor dem Krisentreffen bereits deutlich gemacht: Falls die Wirtschaft nicht in der Lage ist, den vertraulichen Umgang mit Daten sicherzustellen, "dann muss der Gesetzgeber überlegen, was er zusätzlich tun kann". Der SPD ist diese Haltung jedoch zu zaghaft. Sie dringt auf gesetzliche Schritte zur wirksameren Bekämpfung von Datenmissbrauch. In einem Beschluss forderte das Parteipräsidium gestern mit Blick auf die "Ausspionierungsfälle" bei Lidl und bei der Telekom unmittelbare Reaktionen. "Wir wollen wirksame Datenschutzbestimmungen, die die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte garantieren", hieß es, neue technische Möglichkeiten verlangten neue Gesetze. Zugleich hat die Affäre die Debatte über die Datensammelwut des Staates neu entfacht: Ist es wirklich nötig, dass die Telekommunikations-Unternehmen alle Telefon- und E-Mail-Daten ein halbes Jahr lang speichern, um sie Behörden bei der Strafverfolgung unter Umständen geben zu können? Politiker der Oppositionsparteien wollen dieses sogenannte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kippen. Die Grünen beantragten dazu eine Aktuelle Stunde des Bundestages.

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