Interview Manuel Fröhlich „Die Lage hat sich verschlechtert“

Trier · Der Experte der Uni Trier spricht darüber, was Donald Trump antreibt – und warnt vor Folgen.

 Als Protest gegen den Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen verbrennen Abgeordnete im iranischen Parlament eine amerikanische Flagge.

Als Protest gegen den Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen verbrennen Abgeordnete im iranischen Parlament eine amerikanische Flagge.

Foto: dpa/Uncredited

Manuel Fröhlich hat wenig Verständnis für US-Präsident Donald Trump, der das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt hat. Der Politikprofessor der Uni Trier warnt im Interview mit TV-Redakteur Florian Schlecht vor neuen Konflikten im Nahen Osten und für Europa.

Donald Trump hat das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Welche politischen Folgen ergeben sich daraus?

MANUEL FRÖHLICH In der Region, die mit Syrien und dem Jemen ohnehin zwei der katastrophalsten weltpolitischen Krisen aufweist, wird es zu erhöhten Spannungen kommen. Saudi-Arabien und Israel dürften sich bestärkt sehen, während die Lage im Iran mit neuen Fragezeichen versehen ist. Plötzlich liegen wieder Modelle wie das eines von außen erzwungenen Regimewechsels oder die volle Wiederaufnahme des Nuklearprogramms Teherans auf dem Tisch. Da alle regionalen Konflikte miteinander verbunden sind, ist nun keiner von diesen einer Lösung näher gekommen. Die Lage hat sich grundsätzlich verschlechtert.

Was bedeutet die Entscheidung von Trump für internationale Zusammenarbeit?

FRÖHLICH International ist die einseitige Aufkündigung des Abkommens zugleich die Aufkündigung der Allianz der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates sowie Deutschlands in dieser Frage. Dahinter tun sich schwerwiegende Fragen der Bündnisfähigkeit und Vertragstreue der USA auf.

Inwieweit?

FRÖHLICH Trump hat sich von den engsten westlichen Partnern distanziert und diese zugleich in eine Interessengemeinschaft mit Russland, China und dem Iran getrieben, um das Abkommen oder Teile davon irgendwie noch am Leben zu halten. Wirtschaftlich ist die Hoffnung auf engere Zusammenarbeit geradezu im Keim erstickt. Der amerikanische Präsident hat ja nicht nur Sanktionen gegenüber dem Iran angekündigt, sondern auch sogenannte sekundäre Sanktionen gegen Länder und Unternehmen, die weiterhin mit dem Iran in relevantem Ausmaß Handel betreiben. Kombiniert man das mit der Drohkulisse der nur verschobenen Strafzölle auf europäische Waren und Güter, deutet sich auch hier weiteres Konfliktpotenzial an.

Welche Reaktion erwarten Sie nun vom Iran?

FRÖHLICH Es ist bemerkenswert, dass der Iran nicht spontan und mit ähnlich theatralischer Geste nun seinerseits das Abkommen aufgekündigt hat. Die iranische Diplomatie hat erkannt, dass es durchaus weiter bestehende gemeinsame Interessen mit den anderen Vertragsparteien des Abkommens gibt. Allerdings ist die innenpolitische Lage zwischen moderaten und konfrontativen Kräften nun noch einmal instabiler geworden. Viele der Gegner einer Öffnung des Irans haben nun auf den ersten Blick eine Bestätigung ihrer Skepsis bekommen und werden versuchen, ihre Position dadurch zu festigen. Die nächsten Wochen stellen einen kritischen Zeitraum für die internationale und innenpolitische Lage dar.

Welchen Wert hatte das Abkommen bislang überhaupt?

FRÖHLICH Es hat einen Aspekt eines weltpolitischen Konfliktes eingefroren: die Weiterentwicklung des iranischen Nuklearprogramms. In dieser Hinsicht war und ist das Abkommen auch erfolgreich gewesen. Unabhängige Inspektoren der internationalen Gemeinschaft, aber auch die Vertreter der US-Regierung und Geheimdienste, haben in Bezug auf diesen Punkt durchgehend den geforderten Stopp dieses Programms attestiert.

Es gab aber auch massive Kritik am Programm.

FRÖHLICH Es stimmt, dass das Abkommen weitere Aspekte des Konfliktes um den Iran nicht behandelt: eine Unterstützung terroristischer Gruppen, Einmischung in die Konfliktländer der Region oder die aggressive Entwicklung eines Raketenprogramms. Hier gibt es auch viel Raum für berechtigte Kritik an der Rolle des Iran – und diese wurde ja auch zuletzt durch den französischen Präsidenten und die deutsche Bundeskanzlerin benannt. Doch keines dieser weiteren Probleme ist nun durch die Wegnahme der Einfrierung der Nuklearfrage leichter zu bearbeiten – im Gegenteil.

Was hat Donald Trump getrieben, das Abkommen aufzukündigen?

FRÖHLICH Mit Blick auf die außenpolitische Situation der USA lässt sich kein befriedigendes Argument finden. Tatsächlich dürfte diese einseitige Aufkündigung auch die anstehenden Verhandlungen in Nordkorea erschweren. Innenpolitisch ist die Einlösung eines Wahlkampfslogans zu nennen und der Versuch, die eigene Wählerschaft vor den anstehenden Kongresswahlen im November zu mobilisieren. Zugleich hat Trump durch den Wechsel des Außenministers und des nationalen Sicherheitsberaters Falken in seinem Beraterkreis, die auch unabhängig vom Abkommen einen harten Kurs gegenüber dem Regime in Teheran verfolgen.

Der harte Kurs gegenüber dem Iran ist zugleich eine klare Abkehr von der Obama-Politik, die das Abkommen mit ausgehandelt hat, oder?

FRÖHLICH Individuell ist es nun offenkundig, dass der gegenwärtige Präsident der USA sämtliche Projekte seines Vorgängers rückabwickeln will. Im Gegensatz zu langwierigen innenpolitischen Gesetzesvorhaben und inmitten von Skandalen, die die Trump-Präsidentschaft umschwirren, erscheint eine solch mediale Inszenierung von Entschlossenheit wohl sehr attraktiv. Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass Trump die Frage personalisiert hat, indem er sagte „Wenn ich Versprechungen mache, halte ich sie.“ Persönlich mag er recht haben. Politisch haben die USA ein Abkommen verlassen, ohne dass konkrete oder gar neue Informationen über tatsächliche Verstöße des Iran gegen seine Verpflichtungen ersichtlich sind.

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