Die Schweiz als Vorbild

Die Wahlprogramme bergen kaum Überraschungen, denn auch dort wo sie konkret werden, bewegen sie sich meist entlang der bekannten großen Linien. Doch haben alle Parteien auch einige ungewöhnliche Ideen parat, die wir in dieser Serie testen. Heute: CDU und CSU wollen Lohntests einführen.

Berlin. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" - in Deutschland ist das nach wie vor nicht selbstverständlich. 23 Prozent der arbeitenden Frauen verdienen für die gleiche Tätigkeit immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen; im Durchschnitt ist ihr Einkommen um 17 Prozent geringer. Die Bundesrepublik belegt damit bei der Lohngleichheit in der Europäischen Union den siebtletzten Platz.

Die Idee: CDU und CSU haben deshalb hinübergeblickt ins Nachbarland Schweiz. Dort werden Lohntests schon länger erfolgreich angewendet. Mit einer besonderen Software sollen Unternehmen ab 50 Mitarbeitern überprüfen, ob in ihrer Firma die Lohnstruktur bei Frauen und Männern weitgehend identisch ist. In der Schweiz ist es sogar so, dass bei öffentlichen Aufträgen, die einen bestimmten Auftragswert übersteigen, Auftragnehmer Lohngleichheit nachweisen müssen.

Der Haken: So weit wie die Eidgenossen wollen CDU und CSU dann doch nicht gehen. "Die Wirtschaft muss dieses Instrument pragmatisch umsetzen", heißt es im Wahlprogramm der Schwesterparteien. Das bedeutet, die Lohntests sollen freiwillig bleiben, ein gesetzliches Vorgehen ist aus Rücksicht auf die Unternehmen nicht geplant. Denn aus der Wirtschaft ist bereits zu hören, dass man mit der Einführung von Lohntests zusätzliche Bürokratiekosten fürchtet.

Die Bewertung: Auch wenn beim Nachbarn die Lohngleichheit ebenfalls noch lange nicht erreicht ist, unter Experten ist der Erfolg des Schweizer Modells unumstritten. Es stimmt: Lohntests sind ein kluges Kontrollinstrument, sie schaffen Klarheit bei den Einkommen und können sogar ein Stück Unternehmenskultur verändern. Besonders die Frauen, die ihre Gehälter und Zulagen individuell aushandeln, verdienen gravierend weniger als ihre männlichen Konkurrenten. Transparenz kann also dazu beitragen, dass sich die Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern schließt. Außerdem geraten die Firmen von außen unter Druck, die sich den Lohntests verweigern. Um ihr Versprechen umzusetzen, wird die Union die Wirtschaft vermutlich auf eine Selbstverpflichtung drängen, wie so oft schon in der Vergangenheit. Aber immer noch besser, als die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern einfach hinzunehmen.

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