Schulpflicht schon für Vierjährige

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) drängt darauf, Kinder früher einzuschulen. Oppositionspolitiker sehen den Vorstoß jedoch mit Skepsis.

Berlin. Die übliche Altersgrenze von sechs Jahren führe dazu, "dass viele Kinder in Deutschland für ihre Verhältnisse zu spät in die Schule kommen", sagte CDU-Politikerin Annette Schavan in einem Interview. Daher dürfe es "keinen starren Stichtag" für die Einschulung geben. Viele Kinder seien so am Ende der ersten Klasse "unterfordert". Das politische Echo auf ihren Vorstoß schwankt zwischen Zurückhaltung und Skepsis.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Ernst Dieter Rossmann, verwies darauf, dass der "Einschulungskorridor" in Deutschland bereits heute zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr des Kindes liege. "Außerdem ist das Sache der Länder. Frau Schavan hat in dieser Frage keine Kompetenz", sagte Rossman. Tatsächlich hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits 1997 verfügt, dass die Bundesländer den damals üblichen Stichtag 30. Juni nach eigenem Ermessen bis auf den 31. Dezember - also um volle sechs Monate - verlegen können. Und die meisten Bundesländer haben von dieser Möglichkeit rege Gebrauch gemacht. So sind zum Beispiel in Berlin seit 2005 alle Kinder in dem Jahr schulpflichtig, in dem sie sechs Jahre alt werden. Die jüngsten von ihnen werden demnach schon mit fünfeinhalb eingeschult. In anderen Ländern wie Baden-Württemberg oder Sachsen wurde der Stichtag für die Schulpflicht von Ende Juni auf den 30. September verschoben. Beginnt also das Schuljahr zum Beispiel Anfang September, aber das Kind wird erst am 29. des Monats sechs Jahre alt, besteht trotzdem grundsätzlich Schulpflicht.

Im Galopp durch den Kindergarten



Einen statistischen Überblick zum konkreten Einschulungsalter gibt es allerdings nicht. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erfasst nur die Gesamtzahl der ABC-Schützen. Demnach drückten im Vorjahr knapp 755 000 Mädchen und Jungen erstmals die Schulbank. Das waren 2,3 Prozent weniger als 2007. Gleichwohl dürfte der Trend eindeutig sein: Durch die Aufweichung der früheren Stichtagsregelung werden die Schulanfänger immer jünger.

Der Bildungsexperte der FDP, Patrick Meinhardt, ist von dieser Entwicklung wenig angetan. "Unsere Kinder dürfen nicht im Galopp durch Kindergarten, Schule, Ausbildung und Hochschule gepaukt werden", sagte der Liberale. Auch die kinderpolitische Sprecherin der Grünen, Ekin Deligöz, steht Schavans Forderung skeptisch gegenüber: "Was wir dringend brauchen, ist mehr frühkindliche Förderung. Ob eine frühere Einschulung damit gleichzusetzen ist, bezweifele ich aber", sagte Deligöz. Stattdessen müsse in den Kindergärten mehr für die Bildung der Jüngsten getan werden.

Der Präsident des Kinderschutzbundes warnte indes vor einer "einseitigen Richtung" bei der Flexibilisierung des Schulalters. "Es gibt auch Sechsjährige, die noch einen großen Spieltrieb haben", sagte er. Nötig sei eine individuelle Förderung in kombinierten Kitas und Schulen.

Auch Schavan wirbt für eine solche Verbindung. In Baden-Württemberg gibt es bereits einen entsprechenden Modellversuch für sogenannte Bildungshäuser. Dort werden Kindergarten- und Grundschulkinder im Alter zwischen drei und zehn Jahren gemeinsam pädagogisch betreut. Vor diesem Hintergrund könne die gemeinsame Lernzeit auch sechs Jahre betragen, "wenn früher damit begonnen wird - etwa im Alter von vier statt erst mit sechs Jahren", erklärte Schavan.

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