Großes Missverständnis

Mit dem Lernen können Kinder gar nicht früh genug anfangen. Dass sie aber deshalb früher eingeschult werden sollen, wie es sich Bildungsministerin Schavan vorstellt, ist ein großes Missverständnis.

In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wird der Stichtag für die Schulpflicht gerade schrittweise nach hinten verschoben. Und parallel dazu wächst bei vielen Eltern der Ärger, weil sie ihre Kinder noch gar nicht für schulreif halten und deshalb allerlei bürokratische Hürden nehmen müssen, um eine Zurückstellung zu erwirken.

In Bayern ist die Situation ähnlich. Hier sah sich die Staatsregierung sogar zu der Ankündigung gezwungen, keine "Dezemberkinder" mehr im gleichen Jahr einzuschulen. Offenbar ist Schule in Deutschland nicht ein Problem der Unter-, sondern Überforderung. Davon zeugen randvolle Lehrpläne und genervte Lehrer, die nicht recht wissen, wie sie das geballte Wissen in kürzester Zeit vermitteln sollen. Logisch, dass Stress und permanenter Leistungsdruck auch bei den Schülern für Frust sorgen. Wer von frühzeitigem Lernen spricht, der muss in der vorschulischen Bildung die Voraussetzungen dafür schaffen. Den Krippen und Kindergärten kommt dabei eine große Verantwortung zu.

Kindgerechtes Lernen heißt aber auch, dass ein Kind möglicherweise erst mit sieben eingeschult werden kann, ohne dafür gleich im gesellschaftlichen Abseits zu stehen. Auch daran hakt es in unserem Bildungssystem. Wer einer immer früheren Einschulung das Wort redet, muss sich zudem fragen lassen, wie er es mit den dann immer jüngeren Berufsbewerbern hält. Eine Lehre mit 13 oder 14 Jahren war früher nichts Besonderes, weil es dafür genügend einfache Berufsbilder gab. Doch das hat sich stark geändert. Die umfängliche Ausbildungsreife eines 13-Jährigen ist längst zur Ausnahme geworden.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort