"Die Stimmung an der SPD-Basis ist eindeutig"

Kommt es zu Koalitionsverhandlungen zwischen Schwarzen und Roten? Über diese Frage diskutiert heute ein kleiner SPD-Parteitag in Berlin. Mit dabei ist der rheinland-pfälzische SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz. Mit ihm sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

Welche Erwartungen haben Sie an den heutigen SPD-Konvent?Lewentz: Wir werden die Stimmung in den 16 Landesverbänden hören. Und wir werden natürlich hören, was der Sachstand auf der Berliner Bühne ist. Klar ist, dass wir dem Gesprächswunsch der Kanzlerin nachkommen werden, das ist selbstverständlich. Dann werden wir natürlich festlegen, wer von uns mit der Kanzlerin und den übrigen Unionspolitikern spricht. Aber das Stimmungsbild an der Basis ist bundesweit sehr eindeutig - gegen eine große Koalition.Warum sind Sie gegen eine Koalition mit der Union?Lewentz: Das Wahlergebnis ist eindeutig und nur haarscharf an der absoluten Mehrheit für die CDU vorbei. Frau Merkel hat jetzt einen Regierungsauftrag. Von daher kann ich mir vorstellen, dass man auch über eine Minderheitsregierung reden kann. Wir haben im vergangenen Jahr der Regierung bei wichtigen Themen fünf Mal die Mehrheit verschafft. Man könnte also für wichtige Themen wie Euro, Auslandseinsätze der Bundeswehr oder Haushalt eine Vereinbarung treffen. Und bei anderen Themen müsste sich die Kanzlerin halt eine Mehrheit suchen. Die CDU signalisiert doch schon Kompromissbereitschaft bei Themen wie Spitzensteuersatz oder Vermögenssteuer. Wann erliegt die SPD den Verlockungen?Lewentz: Wir reden noch nicht über Inhalte. Zunächst hat die stärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung. Und der zweitstärksten Partei kommt die Aufgabe zu, eine starke Opposition zu sein, die die Regierung kontrolliert. Wenn wir das nicht sind, wären die Linken die größte Oppositionspartei. Und dann wäre Linken-Fraktionschef Gregor Gysi Oppositionsführer. Dann kontrollierten wenige Abgeordnete eine große Anzahl Regierungsparlamentarier. Das ist meiner Ansicht nach nicht das vom Grundgesetz vorgesehene Prozedere. Von daher geht es bei dem Konvent heute mehr um die Regularien und nicht um Inhaltliches. Nach den Gesprächen mit Frau Merkel wird dann der kleine Parteitag erneut zusammentreten und das weitere Vorgehen besprechen. Wir dürfen uns jetzt nicht unter Zeitdruck setzen lassen.Angeblich hat sich die SPD-Bundesspitze ja bereits darauf verständigt, eine große Koalition vorzubereiten. Warum streuen die Parteioberen der Basis denn Sand in die Augen und suggerieren, noch sei alles offen?Lewentz: Ich habe erst am vergangenen Mittwoch ausführlich mit dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel gesprochen. Und Gabriel hat mir versichert, dass es keinerlei Festlegung und keine Vorentscheidung gibt. Von daher gehen wir ergebnisoffen in die Gespräche mit der Union. Es gibt auch vonseiten der rheinland-pfälzischen SPD keinerlei Vorfestlegung. Einige Genossen haben wegen der möglichen Koalition eine Mitgliederbefragung gefordert: Was halten Sie davon? Ist das nicht unrealistisch?Lewentz: Eine Mitgliederbefragung muss nicht aufwendig sein. Wir haben das in der Vergangenheit schon mal bei einer Personalie gemacht - in Form einer Urwahl an einem Tag. Dann hat man beispielsweise an einem Sonntag die Möglichkeit, bei seinem Ortsverein seine Stimme abzugeben. Die Ortsvereine geben das weiter, und abends hat man ein Ergebnis. Sind Sie für eine solche Befragung mit ungewissem Ausgang?Lewentz: Ich halte das für vernünftig und denke, dass wir heute Abend auch darüber beraten werden. Sollte es denn gegebenenfalls Neuwahlen geben - mit dem Risiko, dass die SPD dann etliche Prozentpunkte einbüßt?Lewentz: Von Neuwahlen sind wir noch sehr weit entfernt. Zunächst einmal müssen jetzt die Gespräche mit Frau Merkel geführt werden. Aus dem CDU-Bundesvorstand hört man, dass es durchaus auch Sympathien für ernsthafte Verhandlungen mit den Grünen gibt. Da ist also noch vieles im Schwung. Wenn am Schluss Neuwahlen stehen, dann wird man halt Wahlkampf machen müssen. Aber von diesem Punkt sind wir noch sehr weit weg. sey Extra

Kleiner Parteitag der Sozialdemokraten: 16 der insgesamt 200 Delegierten des heutigen SPD-Konvents in Berlin kommen aus Rheinland-Pfalz. Im Einzelnen sind dies Kathrin Anklam-Trapp, Ex-Parteichef und Ministerpräsident Kurt Beck, Jürgen Conrad, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Manfred Geis, Generalsekretär Jens Guth, Gustav Herzog, Petra Janson-Peermann, Susanne Kasztantowicz, Michael Kissel, Landesvorsitzender Roger Lewentz, Claudia Lörsch, Günther Ramsauer, Michelle Rauschkolb, die Eifeler Landtagsabgeorndnete Astrid Schmitt und der Mainzer Sozialminister Alexander Schweitzer.sey Extra

Roger Lewentz ist seit vergangenem Jahr Vorsitzender der rheinland-pfälzischen SPD und damit Nachfolger von Kurt Beck. Der 50-jährige gebürtige Lahnsteiner ist seit 2011 Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur. Zuvor war der vierfache Vater Staatssekretär und SPD-Generalsekretär. sey

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