Die Zocker sollen die Zeche zahlen

Die politischen Verhandlungen in Berlin über die Milliardenhilfe für Griechenland sind gestern in letzter Minute gescheitert: Nur die Grünen wollen mit Schwarz-Gelb stimmen.

Berlin. Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionschef, staunte: "Erstens kommt es anders, zweitens, als man denkt", sagte er zu den Verhandlungen mit der schwarz-gelben Koalition über eine Bundestagsresolution zur Finanzmarktkontrolle. Sie soll die heutige Abstimmung über die Griechenland-Hilfe begleiten. Der Satz traf gestern gleich mehrfach zu. Erst gab es keine Einigung, dann gelang sie, dann scheiterte sie in letzter Minute wieder. Im Ergebnis müssen Angela Merkel und ihre schwarz-gelbe Koalition die 22,4-Milliarden-Bürgschaft für Athen weitgehend allein verantworten, weil die SPD sich enthalten will. Nur die Grünen unterstützen sie. Die Linke hatte schon frühzeitig ihr Nein angekündigt.

Hauptstreitpunkt ist die "Finanzmarkttransaktionssteuer". 0,05 Prozent weltweit auf jede Transaktion, außer auf Überweisungen. Tagelang hatte die Koalition diese Forderung der Sozialdemokraten abgelehnt. Und zwar wegen der FDP, wie die Union den Genossen entschuldigend mitteilte. Die wolle keinen Text mittragen, in dem das Wort Steuer vorkommt. Der Rest der Entschließung, schärfere Kontrollen der Euro-Stabilitätskriterien, Schaffung einer europäischen Rating-Agentur und Erhebung einer Bankenabgabe zur Bildung eines Fonds, war weitgehend Konsens.

Dass die Finanzmärkte für die Krise zahlen sollen, und zwar dauerhaft und strukturell, war für die SPD zentral. Ein Ja ohne eine solche Regelung wäre ein "nackte Kreditermächtigung", fand Steinmeier. Er und Parteichef Sigmar Gabriel empfahlen ihren Abgeordneten schon morgens in einer ersten Fraktions-Sondersitzung, sich bei der Griechenland-Hilfe der Stimme zu enthalten. Was in den SPD-Reihen durchaus nicht unumstritten war.

Für Merkel wurde es nun ungemütlich. Denn etliche in Union und FDP wollten mit Nein stimmen oder sich enthalten. Teilnehmer beschrieben den Verlauf der Unions-Fraktionssitzung als "heftig". Die Kanzlermehrheit stand nicht. Außerdem musste die Kanzlerin die Wahl am Sonntag in Nordrhein-Westfalen im Blick behalten. "Die Griechenland-Hilfe ist extrem unpopulär. Hingegen wollen die Bürger, dass die Zocker zahlen sollen", sagte ein Sozialdemokrat aus NRW selbstbewusst.

Merkel schickte Gabriel aus der Unions-Fraktionssitzung eine SMS. Es war die Bitte um ein Spitzengespräch, jetzt gleich nebenan. In dem schlug sie vor, der Bundestag solle die Regierung auffordern, "sich für die Umsetzung der vom IWF vorgelegten Vorschläge und ein international abgestimmtes Vorgehen für die Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise" einzusetzen. Das Wort "Steuern" wurde wie von der FDP gefordert in dieser Formulierung zwar vermieden, doch verbirgt sich in Wahrheit nichts anderes dahinter. Denn der Internationale Währungsfonds plädiert für eine Steuer auf die Boni und Gewinne der Finanzinstitute (Financial Activities Tax). Die SPD erklärte flugs, es gehe ihr darum, dass die Branche sich überhaupt an den Kosten der Krise beteilige. "Ob Finanzmarkttransaktionssteuer oder die IWF-Steuer, ist uns egal". Nicht egal war den Sozialdemokraten aber, dass die FDP im weiteren Verlauf des Tages die IWF-Vorschläge nur noch "prüfen" lassen wollte. Und so kam es in den Detailverhandlungen am Nachmittag zum endgültigen Scheitern.

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