Ein schrilles Ensemble

Im Kanzleramt lacht man sich bereits ins Fäustchen. Glück gehabt, Gerhard Schröder kann entspannt nach Italien reisen, weil in diesem Jahr wohl nicht seine rot-grünen Koalitionäre das unsägliche und alljährliche Sommertheater bestreiten werden.

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Foto: axentis.de / Georg J. Lopata (www.axentis.de )

Stattdessen schicken sich in der Parlamentspause die Laiendarsteller der Union an, die Öffentlichkeit mit ihren Machtspielchen und parteiinternen Querelen, mit ihrem inhaltlich unklaren und strategisch durchaus verworrenen Kurs zu unterhalten. Schöne Ferien. In den Hauptrollen: Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der hessische Ministerpräsident Roland Koch, die sich gleichzeitig auch noch um die Regie kabbeln. Nebendarsteller sind Fraktionsvize Friedrich Merz, der Bayer Edmund Stoiber und eine ganze Reihe schwarzer Landesfürsten. Sie alle haben sich anscheinend fest vorgenommen, in dem vom Kanzler munter verfassten und schon zum Bestseller gewordenen Stück "Vorziehen der Steuerreform" eine herausragende Rolle zu spielen. Fatale Konsequenz: Das schrille Ensemble der C-Parteien ist dabei, sich selbst um den Nimbus der politischen Alternative zum rot-grünen Bündnis zu bringen. Weil Sachfragen in der Union derzeit entweder sofort oder mit etwas Verspätung zu Personal- und damit Machtfragen werden, verspielt diese Opposition über kurz oder lang gekonnt ihre Glaubwürdigkeit. Der Basis wird dies den Atem verschlagen, angesichts der Tatsache, wie brutalstmöglich die eigenen Chancen geschwächt, die der Regierung im gleichen Atemzug aber gestärkt werden. Es ist ja zweifellos nichts Neues, dass sich in der Partei zwei für den besten Kandidaten beim Kampf um den Kanzlerposten 2006 halten. Das ist auch nichts Schlimmes - Wettbewerb belebt auch das politische Geschäft. Neu ist nur, dass die Politik der Nadelstiche des Roland Koch gegen Angela Merkel immer stärker und anscheinend in immer kürzeren Abständen stattfindet. Geschlossenheit ade. Klar, zum Frontalangriff kann der Hesse nicht blasen, weil ihm dies die Partei nicht verzeihen und der Wähler die Nase rümpfen würde angesichts von so viel Machtgier. Aber Koch ist ehrgeizig und kompromisslos, weswegen er die von Merkel anvisierte, große Kooperation fürchtet. Sie schwächt nämlich seine eigenen Ambitionen ungemein. Die von der Basis getragene Parteivorsitzende hingegen, die gestern kein Machtwort gesprochen haben will, hat sich durch einen Formelkompromiss in der Steuerfrage vom nachtretenden Koch vorerst befreit. Aber: Damit sind die Probleme für sie nicht kleiner geworden. Ihre beleidigten Kritiker und ihre ambitionierten Gegenspieler sitzen Merkel weiterhin im Nacken. Was immer die Ostdeutsche auch macht und sagt, irgendeiner der Parteifreunde scheint immer genau anderer Meinung zu sein. Ihr bleibt vorerst nur eines, das weiß sie: Aussitzen, wie weiland Kohl. Merkel selbst ist wohl klar, dass sie die direkte Konfrontation mit Koch nur dann wirklich suchen und gewinnen kann, wenn sie wieder in der Offensive ist und Truppen hinter sich versammelt hat. Dass dürfte noch dauern. So lange wird es keine Machtworte sondern "die Suche nach gemeinsamen Linien" geben. Aber es sind ja auch noch drei Jahre bis zur Bundestagswahl. nachrichten.red@volksfreund.de

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