Grüne erleben Parteitag der Emotionen

Bingen · Die Grünen in Rheinland-Pfalz setzten auf bewährte Kräfte: Wie schon 2011 entscheidet sich die Partei für Lemke und Köbler als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2016. Die Listenplätze dahinter sind hart umkämpft.

Bingen. Daniel Köbler lächelt und lächelt. In wenigen Sekunden wird sein Wahlergebnis auf die Stirnseite des großen Saals im Rheintal-Kongress-Zentrum projiziert werden. Die elektronische Auszählung ist abgeschlossen, alle Kameras und Fotoobjektive sind auf den Fraktionschef der Grünen gerichtet. Dann erscheint um 12.56 Uhr das Ergebnis. 49 Neinstimmen. 17 Enthaltungen. 129 Jastimmen. 66,2 Prozent. Köblers Lächeln gefriert. Dann kommen die ersten Gratulanten. Es gibt Siege, die schmerzen.
Nur einer von vielen bewegenden Momenten eines Grünen-Parteitags, den man mit Fug und Recht als Parteitag der Emotionen bezeichnen kann. Zwei Tage hat die Ökopartei um ihre Landesliste gerungen. Seit Wochen haben die Grünen diesem Termin in Bingen entgegengefiebert. Ein Listenparteitag entscheidet darüber, wer Chancen hat, in den Landtag einzuziehen. Für viele Abgeordnete geht es um alles oder nichts.
Zudem hat die Causa Hartenfels/Köbler im Vorfeld für parteiinterne Unruhe gesorgt. Der Pfälzer Andreas Hartenfels wollte Köbler eigentlich die Spitzenkandidatur streitig machen, was sich zu einem Sturz hätte auswachsen können, zog dann aber nach einer Fraktionssitzung überraschend zurück.Landtagswahl 2016


Nachher sprach er von einer Art "Gerichtsverhandlung", die ihn massiv unter Druck gesetzt habe. An der grünen Basis schlugen die Wellen hoch.
Doch die Unterstützer Köblers sind bis heute überzeugt, dass Hartenfels falsch spielt und nur Stimmung schüren wollte, um bessere Chancen auf dem Parteitag zu haben.
In Bingen setzt der Pfälzer alles auf eine Karte. Moderat im Ton, aber knallhart in der Sache geht er die Partei-Oberen im Kampf um Platz vier frontal an. Er spricht von einer "ominösen Fraktionssitzung", verteidigt seine ursprüngliche Absicht, gegen Köbler um Platz zwei zu kandidieren: "Welches Sakrileg habe ich eigentlich begangen?" Und weiter: "Bei uns wird Spitzenpersonal doch nicht durch eine Kampfkandidatur beschädigt." Und dann wirft er dem Landesvorstand auch noch Einflussnahme vor, weil er sich gegen ihn positioniert habe. Den starken Applaus dürften Partei- und Fraktionsspitze als Schlag empfunden haben.
Doch Mehrheitsverhältnisse sind auf grünen Parteitagen schwer einzuschätzen. Mit Landtagsvize Bernhard Braun hat Hartenfels einen mächtigen Gegner. Braun knöpfte sich die Aktivisten von "mehr Mut zu mehr Grün" vor und geißelt deren Votum für eine größere Offenheit hin zur CDU. Unter großem Beifall spricht er von "Klöckners Gurkentruppe" und kritisiert, dass parteiinterne Kritiker wie Ex-MdL Dietmar Rieth "ihre Nase" ins Fernsehen hielten, um sich zu profilieren. Damit spielte Braun auf einen SWR-Beitrag an.
Am Ende setzte sich der Landtagsvize gegen Hartenfels durch. Der Mann aus Kusel sitzt wie versteinert in der letzten Reihe. Aber er gibt nicht auf. Beim Kampf um Platz 6 ist es der parlamentarische Geschäftsführer Nils Wiechmann, der eine Minute getroffen ins Leere starrt, während Hartenfels überglücklich die Hände vors Gesicht hält. Er hat Wiechmann gerade eben in einer Stichwahl mit einem hauchdünnen Vorsprung von 99 zu 96 Stimmen besiegt. Wiechmann muss bis Platz 10 im Rennen bleiben, um zum Zuge zu kommen. Eine Platzierung, mit der er dennoch wird leben können.
Und dann ist da noch das Duell von Landesvorstandssprecherin Katharina Binz gegen Natascha Lentes. Die beiden haben sich bereits beim Kampf um den Landesvorstand vor ein paar Wochen gegenübergestanden. Damals hat Lentes einen Achtungserfolg erzielt. Nun will sie den Spieß umdrehen und endlich gewinnen. Doch Binz legte eine schwungvolle Rede hin. Als Direktkandidatin für den Kreisverband Cochem-Zell verbreitert die Mainzerin zudem ihre Anhängerschaft. Die Rechnung geht auf. Binz schlägt Lentes mit 104 zu 80 Stimmen. Danach tritt das Mayener Stadtratsmitglied noch viermal erfolglos an, bis es entnervt aufgibt.
Blatzheim-Roegler auf Platz fünf


Wirtschaftsministerin Eveline Lemke setzt sich auf Platz eins erwartungsgemäß durch, wenn auch mit weniger Stimmen als vor fünf Jahren. Starke Ergebnisse erzielen Anne Spiegel (Platz drei), Jutta Blatzheim-Roegler (fünf) und Pia Schellhammer (sieben), die jeweils eine Reihe von Konkurrentinnen aus dem Feld schlagen. Misbah Khan (13) bekommt als Vertreterin der Grünen Jugend ein Spitzenergebnis. Der Versuch von Landesvorstandssprecher Thomas Petry, einen guten Listenplatz zu erobern, endete in einem Fiasko: Für ihn stimmen ganze acht Delegierte.
Die komplette Kandidatenliste der Grünen finden Sie auf:
volksfreund.deExtra

Mit Platz fünf hat die Bernkastel-Kueser Grünen-Politikerin Jutta Blatzheim-Roegler als einzige Vertreterin aus der Region Trier eine aussichtsreiche Platzierung auf der Landesliste ihrer Partei erreicht. Schwer haben dürften es auf dem Weg zu einem Landtagsmandat dagegen die auf 14 und 15 platzierten Dietmar Johnen (Vulkaneifelkreis) und Stephanie Nabinger (Trier-Saarburg). Einen respektablen Platz 22 erreicht Thorsten Kretzer (Trier). Weit abgeschlagen landen Ulrike Höfken (Bitburg-Prüm) auf 27, Sven Dücker und Antje Eichler (beide Trier) auf 34 und 35, Eckard Wiendl (Vulkaneifel) auf 54 sowie Britta Steck (Bernkastel-Wittlich) auf Platz 63. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort