In den Trierer Hörsälen könnte es eng werden

Trier · Beim Studentensekretariat der Uni Trier laufen derzeit die Fäden für die Einschreibung zum kommenden Wintersemester zusammen. In Zusammenarbeit mit den Fächern und Fachbereichen wird die Verteilung der Studienplätze immer mehr zu einem komplizierten Balance-Akt.

 Ähnlich voll wie hier beim Auftakt zum Wintersemester 2010 könnte es demnächst wieder in den Hörsälen der Universität Trier werden. Zurzeit hat das Studentensekretariat alle Hände voll damit zu tun, die Tücken des Vergabesystems für Studienplätze zu überwinden. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Ähnlich voll wie hier beim Auftakt zum Wintersemester 2010 könnte es demnächst wieder in den Hörsälen der Universität Trier werden. Zurzeit hat das Studentensekretariat alle Hände voll damit zu tun, die Tücken des Vergabesystems für Studienplätze zu überwinden. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. "Es ist der absolute Hype, wie in jedem Sommer." Guido Käsgen sagt das eher beiläufig, nicht besonders aufgeregt. Der Leiter der Abteilung für studentische Angelegenheiten weiß, was in diesen Tagen abgeht. Mit einem guten Dutzend Mitarbeiter versucht er, einerseits die riesige Nachfrage nach Studienplätzen in Trier in die richtigen Bahnen zu lenken, aber andererseits auch dafür zu sorgen, dass manche Fächer nicht hinterher mit zu wenig Studierenden dastehen. Vor Ort wenig Einfluss

Was nach einem Widerspruch klingt, hat mit dem wild wuchernden Vergabesystem zu tun, auf das die Uni vor Ort wenig Einfluss hat. Denn seit die Hochschulen die Studienplätze eigenhändig vergeben können, sind die künftigen Studenten dazu übergangen, sich gleichzeitig an etlichen Orten zu bewerben. Bekommen sie dann einen Platz, schauen die anderen Hochschulen, die sie auch gerne genommen hätten, in die Röhre. Sie müssen freie Plätze dann an andere Bewerber vergeben - wissen aber nicht, ob die überhaupt noch suchen. Die Sache hat noch einen bösen Haken. Stehen beispielsweise in einem begehrten Fach wie Psychologie 200 Plätze für 3000 Bewerber zur Verfügung, dürfte die Uni theoretisch auch nur 200 Zusagen erteilen. Wenn sie Pech hat, nehmen davon aber nur 20 den Studienplatz in Trier an, weil der Rest anderswo untergekommen ist. Dann bleiben am Ende Plätze leer oder können erst mit großer Verspätung vergeben werden. Das wiederum hat negative Konsequenzen für die Zuschüsse, die der Uni nach dem Hochschulpakt ab einer bestimmten Studentenzahl zustehen. Deshalb pflegen die Unis - ähnlich wie Fluggesellschaften - die Studiengänge zu überbuchen. Will heißen: Für die Psychologie in Trier werden möglicherweise bis zu 500 Zusagen vergeben, damit nachher 200 übrig bleiben. Das ist freilich nicht ohne Risiko: Nehmen überraschend viele Bewerber den Platz in Trier an, muss die Uni notfalls entsprechende Kapazitäten zusätzlich schaffen. Angesichts von Geld- und Raummangel ein fatales Unterfangen. Als vor wenigen Jahren ein kleiner Studiengang unerwartet massenhaft nachgefragt wurde, musste die Uni sogar aus dem Nichts eine zusätzliche Professur einrichten. Ein bisschen Vabanquespiel steckt also drin in der Studienplatzvergabe. Dennoch kann Guido Käsgen die aktuellen bundesweiten Schlagzeilen für Trier nicht bestätigen: "Bei uns herrscht kein Chaos", sagt er im Brustton der Überzeugung. Der Anstieg der Bewerbungen um rund 40 Prozent müsse nicht zwangsläufig auch entsprechend mehr Erstsemester bedeuten. An anderen Hochschulen sieht man das dramatischer. Besonders die stark begehrten Unis und Fachhochschulen drohen im Bewerberstrom zu ertrinken. Viele versuchen "sich zu wehren", indem sie nahezu alle ihre Studiengänge mit einer Zulassungsbeschränkung, einem Numerus Clausus, belegen. Abschreckungseffekt bleibt aus

Doch der erhoffte Abschreckungseffekt funktioniert kaum, weil die Studierwilligen damit spekulieren, dass am Ende doch ein Plätzchen für sie übrig bleiben könnte, auch ohne Spitzen-Note. In Trier sind nur 15 Studiengänge mit örtlichem NC belegt, das Gros der mehr als 100 Hauptfach-Studiengänge kommt ohne aus. Das bedeutet faktisch, dass jedem Bewerber, der will, auch ein Studienplatz zusteht. Wenn sich die Uni nicht massiv verkalkuliert, garantiert das ein relativ übersichtliches Verfahren. Die Uni profitiert letztlich von dem ansonsten gelegentlich beklagten Umstand, dass Trier nicht unbedingt ein gefragter Studienort ist. So hat man laut Guido Käsgen auch von der zusätzlichen Studentenschwemme durch die ersten Turbo-Abi-Jahrgänge und den Wegfall der Wehrpflicht "bisher nicht viel gemerkt".Meinung

Ruhe bewahren ist die richtige DeviseMan fasst sich schon an den Kopf: Da ist eines der technisch höchstentwickelten Länder der Welt über Jahre nicht imstande, ein bundesweites Registrierungssystem zu entwickeln, das eine halbwegs geregelte Verteilung von Studenten auf die Hochschulen ermöglicht. Da führt die Bundesregierung neue Regularien ein, die die Vergabe von Studienplätzen zum Lotteriespiel für alle Beteiligten machen - und hat offenbar keinen Plan, wie man aus der Nummer jemals wieder rauskommt. Von einer Übergangsphase kann man beim besten Willen nicht mehr reden, und die Spezialisten prognostizieren, dass es noch Jahre dauern wird bis zu einer tragfähigen Lösung. In einem privatwirtschaftlichen Unternehmen säßen die Verantwortlichen längst auf der Straße. Und trotzdem: Panikmache bringt nichts. Noch sind die Prognosen über explodierende Studentenzahlen Spekulation, noch ist keineswegs ausgemacht, dass die zusätzlichen Mittel über den Hochschulpakt nicht reichen, um den Mehrbedarf zu decken. Dass manche Unis jetzt schon kräftig trommeln, ist auch ein Stück weit Taktik im harten Verteilungskampf um Haushaltsmittel. Die Devise "Ruhe bewahren", wie sie die Uni Trier anwendet, scheint da die im Moment vernünftigste Variante zu sein. Abgerechnet wird ohnehin später. d.lintz@volksfreund.de

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