Röttgen lässt Arbeiten in Gorleben fortsetzen

Die ersten Demonstrationen gab es schon gestern. In Gorleben blockierten Atomkraftgegner mit Traktoren den Eingang zum Salzstock, und in Berlin postierten sie sich mit "Atomkraft? Nein danke!"-Fahnen vor dem Umweltministerium. "Gut, dass wir die noch hatten", sagte einer der Demonstranten.

Berlin. Drinnen verkündete unterdessen Minister Norbert Röttgen (CDU) das Ende des vor zehn Jahren von seinem Vorvorgänger Jürgen Trittin (Grüne) beschlossenen Erkundungsstopps. Bis 2018 soll nun feststehen, ob Gorleben prinzipiell als Endlager für stark radioaktive Stoffe geeignet ist. Falls ja, könnte es etwa 2030 in Betrieb gehen.

Röttgen setzt mit seiner Entscheidung eine Vereinbarung der Koalition von Union und FDP um. Der Minister betonte, dass die jetzt wieder anlaufende Prüfung des Standortes "ergebnisoffen" sei. In der nun beginnenden etwa siebenjährigen Erkundungsphase müsse der Salzstock den verschärften Sicherheitskriterien genügen. Dazu gehöre, dass die geologische Formation eine Million Jahre dicht halte und dass die Möglichkeit der Rückholung des Mülls wenigstens in den nächsten 500 Jahren bestehe. Eine internationale Expertengruppe solle die Sicherheitserkundung überwachen. Wenn der Standort sich als geeignet erweise, werde das Bundesamt für Strahlenschutz ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren für den Betrieb eines Endlagers einleiten, das etwa zehn Jahre dauert.

Erst dann beginnt eine umfangreiche Bürgerbeteilung, die das in der Erkundungsphase geltende Bergrecht noch nicht vorsieht. Allerdings versprach Röttgen "äußerste Transparenz". Dazu will er demnächst in die Region reisen, um mit Bürgermeistern und anderen Verantwortlichen zu reden. Nach der atomrechtlichen Genehmigung werde es dann sicher noch Gerichtsverfahren geben, ehe das Endlager für stark radioaktive Abfälle in Betrieb gehen könne, sagte Röttgen. Auf allen Ebenen könne Gorleben scheitern. "Dann muss man notfalls auch offen sein gegenüber anderen Standorten", so der Minister.

Um für diesen Fall besser vorbereitet zu sein, soll parallel die wissenschaftliche Diskussion über Alternativen vorangetrieben werden.

Es geht um die prinzipielle Eignung anderer geologischer Formationen als eines Salzstocks - etwa Granit oder Ton, wie er in Süddeutschland vorkommt. Konkret gebohrt werden soll woanders aber nicht.

Zurück zum Alptraum Atom

Irgendwohin muss der Müll, der in Jahrzehnten billiger Atomstromproduktion erzeugt wurde, da hat Umweltminister Norbert Röttgen völlig recht. Umso wichtiger wäre es, dass er sich selbst verantwortlich verhielte und für die Bestimmung eines Endlagers zwei zentrale Bedingungen beachtete. Die Standortbestimmung muss nach objektiven wissenschaftlichen Kriterien erfolgen. Keine Region darf tabu sein, auch nicht der Süden, wo die Landesregierungen den Atomstrom so sehr lieben. Der Verdacht besteht, dass schon die Auswahl Gorlebens für die Erkundung in den 1970er Jahren eine reine Willkür-Entscheidung war. Umso fahrlässiger ist es von Röttgen, auch jetzt, da er die Erkundung nach zehnjähriger Pause dort wieder fortsetzen will, Alternativen erst gar nicht prüfen zu lassen. Die zweite Bedingung wäre die Bildung einer politischen Koalition, die bereit ist, ein Endlager gegen die an jedem Standort zu erwartenden lokalen Widerstände durchzusetzen. Einen solchen Endlager-Konsens hätte es in der letzten Legislaturperiode geben können. Doch es war die Union, die darauf bestand, diese Verträge nicht anzuerkennen. nachrichten.red@volksfreund.de

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