"So viel Schmerz"

Lesbos · Sichtlich bewegt vom Schicksal der Flüchtlinge spricht der Papst den Menschen auf der Insel Lesbos Mut zu. Franziskus überrascht mit einer ungewöhnlichen Geste - und richtet einen deutlichen Appell an Europa.

Lesbos. Mit emotionalen Appellen und bewegenden Gesten haben Papst Franziskus und orthodoxe Würdenträger auf der Ägäis-Insel Lesbos zu mehr Menschlichkeit in der Flüchtlingskrise aufgerufen. "Wir hoffen, dass die Welt die Bilder dieser tragischen und verzweifelten Not sieht und auf eine Weise reagiert, die unserer gemeinsamen Menschlichkeit angemessen ist", sagte Franziskus am Samstag im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel. Ein Zeichen setzte das Kirchenoberhaupt mit seiner Entscheidung, zwölf syrische Flüchtlinge auf dem Rückflug mit nach Rom zu nehmen.
"Viele Kinder dort haben den Tod ihrer Eltern miterlebt, ertrunken im Meer. Ich habe so viel Schmerz gesehen", berichtete der Papst am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom vor Tausenden Pilgern über seine Erlebnisse auf der Insel. "Wir haben den Flüchtlingen und dem griechischen Volk die Solidarität der Kirche übermittelt."
Der Entschluss, zwölf syrische Flüchtlinge mitzunehmen, sei eine rein "humanitäre Entscheidung" gewesen, sagte der Papst. "Aufgenommen zu werden, ist kein Privileg, sie sind alle Kinder Gottes", sagte er während des Rückflugs. Die drei muslimischen Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von zwei bis 17 Jahren sollen in Rom von der Hilfsorganisation Sant'Egidio betreut werden, der Vatikan kommt dafür auf. "Es ist vielleicht nur ein Tropfen im Wasser, aber das Meer wird danach nicht mehr dasselbe sein", zitierte der Papst die Nonne Mutter Teresa. Die Vereinten Nationen (UN) lobten die Geste als starke Demonstration der Solidarität. Besonders emotional war Franziskus' Besuch im Hotspot Moria, der von Hilfsorganisationen als Internierungslager kritisiert wird. Tausende warten dort hinter meterhohem Stacheldraht auf ihre Rückführung in die Türkei - so wie es der umstrittene EU-Flüchtlingspakt vorsieht. Gemeinsam mit den orthodoxen Kirchenführern Bartholomaios I. und Hieronymus II. drückte Franziskus in einer Erklärung tiefe Besorgnis über die tragische Situation der Flüchtlinge aus:
"Aus Lesbos appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, mutig auf diese massive humanitäre Krise und ihre Gründe zu reagieren - durch diplomatische, politische und wohltätige Initiativen." Solange es erforderlich sei, müssten alle Länder Menschen in Not vorübergehend Asyl gewähren. Ausdrücklich wandte sich der Papst an die Verantwortlichen in Europa. "Europa ist die Heimat der Menschenrechte, und wer auch immer seinen Fuß auf europäischen Boden setzt, sollte das spüren, sollte diese Rechte respektieren und dafür kämpfen", forderte er.

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