Weiter Sorge um Euro-Austritt Athens

Berlin · Sonderwirtschaftszonen, Treuhandanstalten sowie Arbeitsmarktreformen nach deutschem Vorbild in Euro-Krisenländern: Das sieht angeblich ein Wachstumspaket der Bundesregierung vor. Berlin hält sich bedeckt.

Berlin. Die Bundesregierung hat nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel einen Sechs-Punkte-Plan für mehr Wachstum in Europa entwickelt. Darin würden Sonderwirtschaftszonen in den krisengeschüttelten Randstaaten der Währungsunion vorgeschlagen. So könnten ausländische Investoren mit steuerlichen Vergünstigungen und weniger strengen Regulierungen angelockt werden. Die Umsetzung ist aus Wettbewerbsgründen aber fraglich. Schleppende Reformen in Griechenland verstärken die Sorgen über einen Euro-Austritt Athens.
Steuerermäßigungen schwierig


Regierungssprecher Steffen Seibert wollte einen solchen Sechs-Punkte-Plan am Freitag weder bestätigen noch dementieren. Er betonte, die Regierung arbeite an konkreten Vorschlägen für Wachstums- und Beschäftigungsimpulse in kriselnden Euro-Ländern. Diese würden der Opposition in den Verhandlungen über die Umsetzung des europäischen Fiskalpakts sowie den europäischen Partnern vorgelegt. Der EU-Gipfel Ende Juni solle dann konkrete Beschlüsse fassen.
Der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, verwies grundsätzlich darauf, dass Steuerermäßigungen in der EU im Rahmen von Sonderwirtschaftszonen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen schwierig werden dürften. Ein 16-Punkte-Plan von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) für mehr Wachstum enthielt keinen Vorschlag für Sonderwirtschaftszonen. Im Oktober 2011 hatte Rösler diese aber bei einem Besuch in Athen ins Gespräch gebracht. Die EU-Kommission wollte das Thema ebenfalls nicht kommentieren. Dies sei spekulativ, es liege keine Anmeldung in Brüssel vor, verlautete aus Kommissionskreisen. Falls es Beihilfen gebe, müssten die EU-Regeln eingehalten werden. So seien solche Maßnahmen nur selektiv geografisch denkbar — für bestimmte Sektoren oder bestimmte Unternehmen. Mögliche Beihilfen dürften den Wettbewerb nicht verzerren.
Mit Blick auf Berichte über schleppende Reformfortschritte in Griechenland sagte Kotthaus, er könne keine "seriöse Aussage machen, ob das stockt, ob das nicht stockt". Vor Auszahlung der Ende Juni fälligen nächsten Hilfszahlung werde die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds Fortschritte beurteilen. Eine Verschiebung der Kredittranche um wenige Wochen wäre unproblematisch. Es gebe "keinen aktuellen Finanzbedarf externer Art bis über die Hälfte des Jahres hinaus".
Die erst vor kurzem gemachten Versprechen Griechenlands zur Haushaltssanierung sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung teilweise schon wieder hinfällig. Entgegen der Planung würden keine Staatsbetriebe privatisiert. Auch hätten viele Bürger aus Angst vor einem Euro-Austritt ihre Steuerzahlungen eingestellt. Hinzu kämen weniger Steuereinnahmen von Unternehmen.
Linksbündnis liegt vorn


Grund für den Reformstillstand sei, dass es keine vom Volk legitimierte Regierung mehr gibt. Ob die Regierungsbildung nach der Neuwahl am 17. Juni gelingt, ist offen. Das von Alexis Tsipras geführte Linksbündnis liegt in Umfragen vorn. Tsipras fordert weitere Milliarden von den Partnern, lehnt aber deren Sparauflagen ab. Die Euro-Partner wollen Griechenland in der Währungsunion halten. Die Regierungen wappnen sich intern aber für einen möglichen Austritt. Auch Banken und Unternehmen spielen alle Notfall-Szenarien durch. Griechenland hatte sich Anfang Februar im Gegenzug für Milliardenhilfen in einer Absichtserklärung zu Reformen verpflichtet.
Der Sechs-Punkte-Plan sieht laut Spiegel auch Treuhandanstalten nach deutschem Muster oder Privatisierungsfonds vor, damit Krisenländer Staatsbetriebe verkaufen. Auch könnten andere Länder das deutsche duale System in der Berufsausbildung übernehmen. Zudem solle der Arbeitsmarkt nach deutschem Vorbild reformiert werden.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht auch in Deutschland einen wachsenden Bedarf an Konjunkturprogrammen. "Auch unser Wachstum nimmt ab", sagte Gabriel im Deutschlandfunk. Die Kurzarbeit könne in Deutschland bald wieder eine Rolle spielen.
Extra

Wie stehen Sie zum Fiskalpakt, einer verstärkten Zusammenarbeit der EU-Staaten bei der Finanzpolitik? Schulz: Der Fiskalpakt ist nur eine Seite. Wir brauchen auch Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung. Wie beurteilen Sie die Haltung der Bundesregierung? Schulz: Sehr zögerlich. Wir hatten diese Woche den 24. EU-Gipfel seit Beginn der Krise. Wie viele Gipfel sind denn noch notwendig, bis die Krise bewältigt ist? Schulz: Ich hoffe, dass wir beim Gipfel Ende Juni zu verbindlichen Maßnahmen kommen. Die EU-Regierungschefs bereiten einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone vor. Schockt Sie das? Schulz: Die Lage in Griechenland ist dramatisch. Es berührt mich sehr, wenn in einer europäischen Hauptstadt Menschen in Mülltonnen nach Essen wühlen. Mein Wunsch ist, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt. Dazu müssen die Verträge für die 130-Milliarden-Euro-Hilfspakete eingehalten werden. Mit Martin Schulz sprach TV-Redakteur Bernd Wientjes am Freitag bei einer Veranstaltung der Jungsozialisten in Trier.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort