Wenn Übeltäter sich im Netz tummeln

Trier · Die Kommunikation über Internetseiten wie Facebook hat mittlerweile den gleichen Stellenwert wie noch vor einigen Jahren Telefonate übers Festnetz. Das stellt aber auch die Ermittler vor Probleme.

Trier. Facebook und Twitter haben die Kommunikation verändert. Immer mehr Menschen teilen sich über solche sozialen Netzwerke mit und kommunizieren mit anderen über diese Internetseiten. Auch bei den Ermittlungsbehörden in Rheinland-Pfalz beobachtet man die Entwicklung aufmerksam. Es sei eine "aus polizeilicher Sicht ernstzunehmende Kommunikations- und Informationsstruktur" geschaffen worden, "in der die heutige Generation bereits überwiegend vertreten ist und sich manchmal sogar ausschließlich dort informiert", sagt David Freichel, Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Allerdings sei bislang bei der Polizei im Land die Nutzung von Facebook und Co. noch nicht institutionalisiert. Im Einzelfall könne die Nutzung der Netzwerke aber geboten sein, sagt Freichel, ohne näher auf solche Einzelfälle einzugehen.
Fest steht: Es gibt keine bundeseinheitlichen Standards zur Nutzung der sozialen Netzwerke durch die Polizei. Bislang nutzen die Ermittler diese unterschiedlich. Die Innenminister der Länder beraten daher auf ihrer gestern begonnenen Konferenz über Regeln und mögliche Aktivitäten bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Laut Innenstaatssekretärin Heike Raab ist Rheinland-Pfalz federführend an der Entwicklung dieser Standards beteiligt. Dazu solle zunächst einmal die Rechtslage geprüft werden. "Der Datenschutz muss gewahrt bleiben", stellt Raab klar, spricht aber von einer "Gratwanderung".
Genau daran war das Vorpreschen der Polizei in Hannover gescheitert, via Facebook nach dem Mörder einer Studentin zu suchen. Datenschützer hatten Bedenken gegen diese Art der Ermittlungen. Außerdem erklärte das niedersächsische Justizministerium die Facebook-Fahndung als völkerrechtswidrig. Denn die Zentrale von Facebook befinde sich in den USA. Damit, so die Argumentation des Ministeriums, werde die Polizei ohne entsprechende Vereinbarung auf fremdem Staatsgebiet zuständig. Um an persönliche Nachrichten oder gelöschte Daten von Facebook-Nutzern heranzukommen, müssen die Ermittler daher ein Rechtshilfeersuchen an die USA stellen. Wie es gerade erst die Trie rer Staatsanwaltschaft im Mordfall einer 27-Jährigen aus Kinderbeuern (Bernkastel-Wittlich) getan hat. Die Ermittler vermuten, dass der verdächtigte Freund der Getöteten über Facebook Hinweise auf die Tat gegeben haben könnte. Solche komplexen Ermittlungen im Zusammenhang mit Facebook seien aber eher die Ausnahmen, sagt der Trierer Leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer. Zumeist gehe es um Beleidigungen oder kompromittierende Fotos, die über solche Internetseiten veröffentlicht würden. Um die Übeltäter zu finden, brauche es zumeist keine aufwendigen Rechtshilfeersuchen, sagt Brauer. Wenig Probleme bei der Zusammenarbeit bereite den Ermittlern das deutsche Netzwerk Wer kennt wen (WKW). Oft erhalte man innerhalb weniger Stunden die benötigen Daten von Nutzern, erklärt der Trierer Chef-Ermittler.Extra

Zwei Wochen in den Jugendarrest muss ein 18-Jähriger, der nach dem Mord an der Schülerin Lena aus Emden (der TV berichtete) im Internet zur Lynchjustiz aufgerufen hatte. Das entschied das Jugendschöffengericht. Ziel der Attacke war ein junger Mann, der von der Polizei zunächst als Tatverdächtiger verhaftetet worden war, dessen Unschuld sich aber später herausstellte. Der 18-jährige hatte Ende März im sozialen Netzwerk Facebook gegen einen damals 17-Jährigen gehetzt, der nach dem Mord an der elfjährigen Lena in Emden irrtümlich unter Tatverdacht geraten war. dpaExtra

Seit vergangenem Jahr nutzt die Polizei Hannover Facebook für ihre Zwecke. Ende Januar war das Projekt nach heftiger Kritik des Landesdatenschutzbeauftragten vorübergehend ausgesetzt worden. Die Polizei bat Facebook-Nutzer bei der Aufklärung einer ermordeten Studentin um Hilfe. Die Frau wurde am ersten Adventssonntag 2011 vor ihrer Wohnung erstochen. Anfang Februar war die Facebook-Seite der Polizeidirektion dann wieder abrufbar. Allerdings stellt sie keine Personenfahndungen mehr auf die Seiten. Bislang sind acht Fälle auf diese Weise aufgeklärt worden. red

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