Interview Sein Ziel: „Pandemie in die Schranken weisen“

Mainz/Trier · Der neue Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) fühlt sich mit offenen Grenzen nach Luxemburg bestätigt, fordert mehr Tempo beim Impfen und hat seinen Familienurlaub bereits gebucht.

 Clemens Hoch (SPD), rheinland-pfälzischer Minister für Wissenschaft und Gesundheit.

Clemens Hoch (SPD), rheinland-pfälzischer Minister für Wissenschaft und Gesundheit.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Im Büro von Clemens Hoch stehen noch unausgepackte Umzugskartons. Doch der 43-Jährige hat momentan andere Aufgaben zu erledigen. Hoch ist der neue Gesundheitsminister im Land, nachdem Vorgängerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler als Chefin in die SPD-Fraktion im Mainzer Landtag gewechselt ist. Bei null fängt der Andernacher bei der Corona-Bekämpfung aber nicht an. Als Chef der Staatskanzlei zog er im Hintergrund bereits die rheinland-pfälzischen Fäden, als es um den gemeinsamen Weg mit Bund und Ländern in der Krise ging. Im Interview mit  unserer Zeitungsgruppe spricht der Pandemieminister über ...

… seinen Start: „Die aktuelle Phase der Pandemie ist doch eine vergleichsweise gute, um als neuer Gesundheitsminister zu starten“, findet Hoch, der ein ehrgeiziges Vorhaben zum Auftakt hat: „Mein Ziel und die wohl größte Aufgabe für die ersten 100 Tage ist es, dass wir die Pandemie in die Schranken weisen.“

… den Minister-Wechsel mitten in der Pandemie: Trotz Corona-Krise tauschte Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Hausspitze im Gesundheitsministerium aus. „Ich kann verstehen, dass Menschen den Wechsel mitten in der Pandemie hinterfragen. Einen Beigeschmack hat der Wechsel aber sicher nicht“, sagt Hoch. „Meine Vorgängerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler hat einen grandiosen Job gemacht.“ Auch den ehemaligen Staatssekretär und Impfkoordinator Alexander Wilhelm, der sich als neuer Geschäftsführer des Landeskrankenhauses beworben habe, schätze er sehr. Ansonsten betont Hoch: „Wir haben hier im Haus weiterhin den größten Teil der Mannschaft mit dabei, die sich bisher schon fantastisch gegen die Pandemie gestemmt hat und das auch weiter tun wird.“

… den Kampf gegen die Pandemie: „Wir sind in der 75. Minute und haben einen komfortablen Vorsprung. Wir müssen aber aufpassen, ihn nicht zu verspielen“, sagt Hoch, der vor der sich veränderten Geschwindigkeit in der Krise warnt. „Noch vor einem Monat hatten wir Inzidenzen rund um die 140. Wiederum gut einen Monat vorher, Anfang, Mitte März, waren wir noch bei Inzidenzen um die 50 und konnten daher den Einzelhandel öffnen“. Nun geplante Lockerungen in Rheinland-Pfalz – Freibäder sollen wieder loslegen, in der Außengastronomie könnten die Tests wegfallen – befürwortet der Minister angesichts stark gesunkener Inzidenzen. Die Menschen hielten sich an grundlegende Regeln, der Fortschritt bei den Impfungen zeige einen gewissen Effekt, die vielen Teststationen fischten immer ein paar Corona-Erkrankungen raus. „Rund 85 Prozent der Positiv-Ergebnisse werden dann durch PCR-Tests positiv bestätigt. Und jeder Gefundene ist eine unterbrochene Infektionskette“, wähnt Hoch das Land auf einem guten Weg.

… das Tempo beim Impfen: Mehr als 40 Prozent der Rheinland-Pfälzer haben mindestens eine Spritze gegen das Coronavirus bekommen. Hoch will mehr: „Ich würde gerne schneller beim Impfen vorankommen. Das geht aber nur mit mehr Impfstoff.“ Der EU wirft er vor, beim Impfen zu lange zu zögerlich unterwegs gewesen zu sein. Das sei nun aber hinter dem Pflug, glaubt der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister, der zuversichtlich in die kommenden Wochen schaut. „Im Juni bekommt Rheinland-Pfalz vom Bund 1,5 Millionen Dosen, für Juli sind schon große Mengen an Impfstoff angekündigt, Biontech liefert so zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Selbst wenn es kurzfristig mal Verzögerungen gibt, stehen die fehlenden Dosen dann ein paar Tage später sofort auf dem Hof“, lobt der SPD-Politiker. Er sei zuversichtlich, das Versprechen halten zu können, jedem Impfwilligen in Rheinland-Pfälzer im Sommer ein Impfangebot zu machen.

Luft nach oben macht Hoch dennoch aus. Unzufrieden äußert sich der Minister über die Lage für niedergelassene Ärzte, die nicht einmal einen Vorlauf von zwei Wochen hätten, was sie sicher an Impfstoff bekämen. „Es gab mal in einem MPK-Beschluss die Zusage des Bundes, vier bis sechs Wochen vorher Klarheit zu verschaffen. Das gibt es weder für die Ärzte noch für die Impfzentren. Das ist ärgerlich, weil die Ärzte sonst auch mit Impfterminen von Patienten viel sicherer umgehen könnten“, tadelt der Minister.

… Chancen auf den Sommerurlaub:„Wir müssen in den Wochen bis zu den Ferien noch vorsichtig sein, können aber optimistisch in den Sommer gucken. Wir dürfen mutig sein, aber nicht übermütig“, sagt der Sozialdemokrat. Er äußert den Wunsch, dass alle Familien „unabhängig vom Impfstatus“ eine Chance auf Sommerferien haben. Auch die privaten Pläne des Ministers dokumentieren bereits Zuversicht: „Ich selbst habe mit meiner Familie auch schon Urlaub in einer Jugendherberge gebucht. Für ein paar Tage soll es auch ins Ferienhaus in Holland gehen.“

… Föderalismus nach der Pandemie: Obwohl die Corona-Regeln deutschlandweit lange als Flickenteppich kritisiert wurden, hält Gesundheitsminister Hoch an getrennten Zuständigkeiten von Bund und Ländern fest. „Wenn ich mir die Zentralstaaten anschaue, gibt es kein Land, das die Krise so angemessen gemeistert hat wie Deutschland. In Frankreich gibt es gigantische Hürden, um regional unterschiedliche Regeln durchzusetzen“, betont Hoch. Die Welt sei in Rheinland-Pfalz aber anders als in Berlin.

Wie gut Föderalismus funktioniere, zeige sich gerade in der Region Trier. „In Rheinland-Pfalz haben wir zu Recht darauf bestanden, die Grenzen nach Frankreich und Luxemburg offen zu lassen und für Pendler oder Tagestouristen bis zu 72 Stunden keine Quarantäne zu verordnen. Mancher erzählte uns, dass die Infektionen durch die Decke gehen, wenn wir die Grenzen bei der liberalen Haltung von Luxemburg nicht zumachen. Trier war aber – bis auf wenige Tage – immer ein Musterschüler in der Pandemie was die Inzidenzzahlen angeht“, erzählt Hoch. Andere Länder verfuhren strenger.

„Wenn man die Lebenswirklichkeit der Menschen im Blick behält und ihnen die Lage erklärt, verstehen sie die Regeln auch. Offensichtlich kam ja nicht ganz Trier auf die Idee, in Luxemburg shoppen zu fahren.“ Kritisch äußert sich Hoch über die Bundesnotbremse, der es in Rheinland-Pfalz nicht bedurft habe, weil das Land in Teilen sogar strenger gewesen sei. „Offen gesagt war das ja eine eher notdürftige Notbremse“, sagt Hoch.

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