Pittoreske Oase im Schatten des Kolosseums

Gleich hinter dem Forum Romanum, in der Nähe des Kolosseums, aber weitab vom touristischen Rom, findet der Reisende geradezu ländliches Flair in der Millionenstadt: Monti, eines der ältesten Stadtviertel Roms, ist einen Abstecher wert.

Rom. (dpa/tmn) Wenn die Füße nicht mehr tragen wollen, Petersdom und Trevi-Brunnen abgehakt sind, dann sucht der Reisende eine Insel der Ruhe. So mancher strandet nach einem Tag im quirligen Rom mit müden Gliedern und einem Kopf voller Eindrücke auf der Piazza della Madonna dei Monti. Ist der Cappuccino oder der trockene Frascati bestellt, fällt der Blick auf eine fast ländliche Idylle: Römerinnen haben ihre Einkaufstüten für einen Plausch auf das Pflaster gestellt, Jungs dreschen den Ball gegen die Kirchenwand, ältere Männer füllen sich am Brunnen Wasser in Plastikflaschen ab — Dorfszenen mitten in der Metropole. Dieses Dorf heißt Monti. Im Schatten des Kolosseums gelegen, gleich hinter dem Forum Romanum, liegt eines der ältesten Stadtviertel Roms verborgen. Vor Jahrtausenden war es als "Suburra" berüchtigt, als der Ort, in dem die Bordelle lagen und sich Gesindel herumtrieb. Auch am Anfang des 21. Jahrhunderts ist Monti noch ein Hort der Krämer und kleinen Händler, der in rumpeligen Werkstätten mit Glas, Metall oder Holz hantierenden Handwerker — und weiterhin Revier einiger Damen vom ältesten Gewerbe.

Und doch fällt beim Bummel über das Basalt-Pflaster der engen Straßen sofort auf, welcher Wind nun durch Monti weht: Hier schon wieder eine neue Modeboutique, direkt an der Piazza ein Sushi-Schnellverkauf, einige Schritte weiter ein durchgestyltes Bio-Lokal. In heißen Sommernächten machen junge Leute scharenweise und so laut lärmend Monti zu ihrem Quartier, dass Carabinieri einschreiten. "Nicht Trastevere oder der Campo de' Fiori gibt den Ton an, sondern Monti mit seinen exklusiven Shopping-Gelegenheiten, den Bio-Läden, alternativen Restaurants und edlen Enotheken", schwärmt die römische Zeitung "Il Messaggero". Aber hier gefällt es nicht allen, jetzt als Trendschmiede der Ewigen Stadt auserkoren zu sein.

Da ist Mario Monicelli, ein bekannter Regisseur und Vater der italienischen Filmkomödie. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert lebt Monicelli, 94 Jahre alt, in der Via dei Serpenti. Mit dem Kurzfilm "Vicino al colosseo c'è Monti" ("Gleich neben dem Kolosseum liegt Monti") hat er seinem Viertel ein Denkmal gesetzt und gleichzeitig festgehalten, was zu verschwinden droht: Etwa wie das Bild der "Madonna dei Monti" von einer Menschenmenge durch die Straßen getragen wird. Eingezwängt zwischen den Hügeln Quirinale, Esquilino, Viminale und Celio, lebt diese einstige Arme-Leute-Gegend weiterhin ihr Leben im eigenen Takt. Seit dem 19. Jahrhundert ist es durch eine Bausünde, die breite Via Cavour, auf einen Fleck konzentriert: die Piazza mit dem Brunnen, den Kirchen und dem Zeitungskiosk. Hier wird schon morgens anschaulich das Vorurteil widerlegt, nur Frauen träfen sich zum Schwatz.

Monti wird längst nicht so von den Touristenmassen heimgesucht wie das berühmtere Trastevere auf dem anderen Tiber-Ufer. Doch auch hier haben Architekten, Ärzte und Rechtsanwälte längst die Wohnungen in den obersten Stockwerken besetzt. Was die Mietpreise im Dorf mächtig in die Höhe schießen lässt.Der gefürchtete römische Kaiser Nero soll hier nachts unerkannt durch die dunklen Gassen hinter dem Trajans-Forum gezogen sein, weil er hören wollte, was das gemeine Volk über ihn redete. "Das ist ein Stadtviertel, das oft nach gerösteten Peperoncini duftet oder nach Abbacchi al forno (Lamm aus dem Ofen), in dem die mit Basalt gepflasterten Straßen und Gassen keine Bürgersteige kennen und den Passanten als einzigen Schutz vor den Autos Prellsteine anbieten": Wenn es um Monti geht, wird selbst der römische Historiker Alberto Manodori poetisch. Als charakteristisch sieht er den Kern Montis an. Dort ist immer etwas los — was natürlich all jene nicht so gut mitbekommen, die sich die Terrassenwohnungen hoch oben leisten, um den Sommer zu genießen: Mit einem Glas Prosecco und dem Blick auf die Dächer Roms, hinter denen sich in der Ferne bei guter Sicht die Albaner Berge abzeichnen.

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