Milliarden für Eier und Brot

Daun/Prüm/Gerolstein · Milch, Brot und Eier kosten Unsummen, das Geld reicht kaum zum Überleben, die Arbeitslosenzahlen explodieren: ´Gerade in der strukturschwachen Eifel sorgt die Inflation Anfang der 1920er Jahre für Hunger und Not.

Daun/Prüm/Gerolstein. Deutschland 1921: Das kaiserliche Deutschland hat den Ersten Weltkrieg verloren. Als Hauptschuldiger muss sein Nachfolger, die Weimarer Republik, Riesensummen an Reparationsgeldern an die Siegermächte zahlen.
Das hoch verschuldete Deutsche Reich steht wirtschaftlich und finanziell mit dem Rücken zur Wand. Der Staat ist pleite. Die Geldpressen werden angeworfen, der Staat druckt mehr Banknoten, als er an Gold und materiellen Gegenwerten zur Deckung besitzt. Der Teufelskreis der Inflation beginnt. Preise und Löhne explodieren. Immer mehr Geld wird bald immer weniger wert.
DORF geschichte(n)


In Deutschland explodiert die Inflation. Von 1921 an geht es mit immer schnelleren Schritten bergab. 1923 stellen Städte und Kreise Geldscheine aus und bringen sie in Verkehr.
Noch heute kursieren unter Sammlern Banknoten, die Milliarden wert waren. Erst am 15. November wird die Währung reformiert und die Inflation schlagartig beendet. Die Rentenmark wird als neues Zahlungsmittel herausgegeben und 1924 von der Reichsmark abgelöst.
Aber die Erinnerungen an die Inflation sind noch viele Jahre wach. Die Angst sitzt den Eifelern noch Jahrzehnte später im Nacken. Chroniken schildern den Geldverfall und eine Inflation ungeheuren Ausmaßes.
So schreibt Peter Burghardt aus Demerath: "Im Juni 1923 hatte meine Frau fast alle Waren unseres Gemischtwarengeschäftes ausverkauft. Es war nach unserer Kirmes, da fuhr sie mit einem Rucksack voll Papiergeld nach Wittlich, um wieder einzukaufen. Für das ganze Geld erhielt sie zwei Eimer Marmelade. Doch fehlten noch 180 000 Mark. Der frühere Schlagmeister Peter Lenerz wollte einmal eine Schachtel Streichholz kaufen. Dafür belegte er einen ganzen Tisch mit Ein-Mark-Stücken. Die reichten noch nicht."
In der Inflationszeit kauft ein anderer Demerather in Mayen einen Milchkocher für eine Milliarde und einen Becher für 500 Millionen Mark. Ein anderer geht während der Inflation nach Ulmen einkaufen. Er hat viel Geld in der Tasche, klopft unterwegs oft darauf und sagt: "Ich bin Millionär und hab wirklich viel Geld! Heute gönne ich mir was und kaufe viel." Wie erstaunt ist er, als das Geld nicht einmal für ein Kästchen Streichholz reicht (Erzählung von Johann Kiefer aus Demerath).
Leni Franzen aus Steineberg berichtet: "Mein Pate, Matthias Reitz, hatte eine ganze Zucht Ferkel nach Cochem auf den Markt gefahren. Von dem Erlös konnte er sich dann nur mehr einen Schirm kaufen!"Extra

Im November 1923 kostet ein Ei im Dauner Raum 320 Milliarden Mark, ein Liter Milch 360 Milliarden Mark, und für ein Pfund Butter müssen 2800 Milliarden Mark gezahlt werden. Die galoppierende Inflation soll der Brotpreis in Mark des Jahres 1923 im Dauner Raum beweisen: Der Brotpreis 1923 in Mark: Januar 250, Februar 389, März 463, April 474, Mai 482, Juni 1428, Juli 3465, August 69 000, September 1,5 Millionen, Oktober 1,7 Milliarden, November 201 Milliarden, Dezember 399 Milliarden. avi

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