Abtrünnige wollen sich nicht zurückhalten lassen

Jünkerath/Prüm · Wunschziel Prüm, Hürden in Daun: Die meisten Fraktionen im Vulkaneifel-Kreistag wollen die sechs abtrünnigen Ortsgemeinden nicht in den Nachbarkreis abwandern lassen. In Hallschlag, Kerschenbach, Ormont, Reuth, Scheid und Stadtkyll kommt diese Haltung gar nicht gut an.

 Gekettet an den Vulkaneifelkreis: So fühlen sich derzeit viele Einwohner von sechs Ortsgemeinden an der Oberen Kyll. In Bürgerentscheiden machten sie deutlich, dass sie ihre Zukunft in der Verbandsgemeinde Prüm sehen. TV-Foto: Christian Brunker

Gekettet an den Vulkaneifelkreis: So fühlen sich derzeit viele Einwohner von sechs Ortsgemeinden an der Oberen Kyll. In Bürgerentscheiden machten sie deutlich, dass sie ihre Zukunft in der Verbandsgemeinde Prüm sehen. TV-Foto: Christian Brunker

Jünkerath/Prüm. Sie wollen weg - zumindest die deutlich meisten Einwohner der sechs abtrünnigen Ortsgemeinden an der Oberen Kyll: Im März und im Mai des Vorjahres stellten sie in Bürgerentscheiden klar, dass sie ihre kommunale Zukunft in der Verbandsgemeinde Prüm sehen - und nicht in einer erzwungenen Fusion mit Hillesheim oder mit Gerolstein.
Kommunal reform


Die meisten Fraktionen im Dauner Kreistag allerdings haben sich vorige Woche für eine andere Variante ausgesprochen: Die Gemeinden sollen bleiben - auch, weil ein Abwandern den Bestand des Vulkaneifelkreises gefährde. Nur die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken sprachen sich dafür aus, die Wechselwilligen auch wechseln zu lassen. Bei den Abtrünnigen kommt die Haltung der anderen Fraktionen nicht unbedingt gut an: "Wenn das Land sagt: Wir machen es möglich, dann machen sie es auch möglich", wehrt Harald Schmitz ab, der Ortsbürgermeister von Stadtkyll.
Auch das Argument, der Vulkaneifelkreis müsse unbedingt erhalten bleiben, zieht bei Schmitz nicht - es würde dem Ansatz der Kommunalreform aus seiner Sicht widersprechen: "Wenn man eine Reform macht, dann kann doch nicht die kleinste Einheit bestehen bleiben." Und das sei eben auf der Ebene über den Verbandsgemeinden (VG) der Kreis Vulkaneifel - "sonst bräuchten wir ja auch nicht zu fusionieren".
"Wir haben unsere Bürgerentscheide. Und die Bürger haben klar abgestimmt", sagt Ormonts Gemeindechef Cornelius Dahm. "Insofern wollen wir den Weg weiter verfolgen, unabhängig davon, wie sich der Kreis positioniert. Das gilt für die sechs Gemeinden genauso wie für die gesamte Obere Kyll - der Kreis bleibt sowieso nicht erhalten."
Ewald Hansen, Ortsbürgermeister in Reuth, hat eine kategorische Antwort: "Wir haben den Bürgerwillen umzusetzen." Und der Bürger fordere den Wechsel nach Prüm. Daran - und an die für drei Jahre gültigen Bürgerentscheide - will er auch Innenminister Roger Lewentz erinnern, bei einem Termin in wenigen Wochen: Am Samstag, 1. Juni, treffen sich die Mitglieder der Bürgerinitiative "Kommunalreform - nur mit uns" mit dem Minister. Hansen und weitere Gemeindechefs von der Oberen Kyll werden dort ebenfalls dabei sein.
Ob es bei den sechs Gemeinden mit Abwanderungstendenz bleibt, ist noch offen: Bekanntlich wendet sich das Blatt auch in den anderen Orten der VG Obere Kyll. Mittlerweile haben sich in mehreren Dörfern die Gemeinderäte dafür ausgesprochen, eine Gesamtfusion mit der Verbandsgemeinde Prüm zu prüfen. Allerdings wurden die Bürger dort noch nicht befragt. Deshalb kenne er auch nicht das Stimmungsbild in seiner Gemeinde, sagt Edi Schell, Ortsbürgermeister von Esch. Er favorisiert die Gesamtfusion: "Ich persönlich stehe nach wie vor dazu: wenn, dann nur zusammen." Davon abgesehen glaubt er nicht, dass der Vulkaneifelkreis bestehen bleibt: Dieser sei nicht überlebensfähig und müsse irgendwann, nach einer von Schell erwarteten Teilung, mit anderen zusammengehen. "Und dann stellt sich für die Eifeler die Frage: Bin ich Eifeler oder Moselaner?"
Was immer die Kreistagsfraktionen sagen: Verhindern können sie einen Wechsel von Gemeinden in einen anderen Kreis nicht, sofern das Land - wie dort zurzeit nach TV-Informationen überlegt wird - dies per Gesetz regelt (siehe Extra).Meinung

Kreis auf der Kippe
Nichts dagegen, den Vulkaneifelkreis erhalten zu wollen. Aber ob er wirklich zu retten ist, wenn man gut 3000 Einwohner in seinen Grenzen behält - noch dazu gegen den Willen einer klar dokumentierten Mehrheit? Kaum zu glauben. Und das gilt wahrscheinlich auch für die gesamte Obere Kyll. Ob mit ihr oder ohne sie: Der Kreis wird in wenigen Jahren wahrscheinlich geteilt und irgendwie mit den Nachbarn zusammengeschraubt. Glücklich die Eifeler, die sich dann noch Eifeler nennen dürfen und nicht "Kreismoseleifeler". Dass sie jetzt dafür kämpfen, sollte man ihnen nicht übel nehmen. fp.linden@volksfreund.deExtra

Die Kreise haben bei Gebietsänderungen etwas zu sagen - aber nichts zu bestimmen. Das geht aus Paragraph 7 der Landkreisordnung hervor. Zitat: "Die Änderung des Gebiets eines Landkreises erfolgt (...) durch Gesetz. Die beteiligten Landkreise und kreisfreien Städte sind vorher zu hören." Ähnliches steht in der Gemeindeordnung unter Paragraph 11 (Absatz 4): "Berührt die Änderung der Grenze einer Gemeinde ... die Grenze einer Verbandsgemeinde oder eines Landkreises, so bewirkt die Änderung der Gemeindegrenze auch die Änderung der Grenze der Verbandsgemeinde oder des Landkreises; die betroffenen Verbandsgemeinden oder Landkreise sind vorher zu hören." "Sind vorher zu hören" - das heißt: "Man muss ihnen die Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen", sagt Christoph Gehring, Pressesprecher des Landes-Innenministeriums. Das bedeutet aber auch: Ein Kreis kann kein Veto einlegen. fplExtra

Heinz-Peter Thiel, seit einem Monat Landrat im Kreis Vulkaneifel, will das Thema möglichst nüchtern und neutral behandelt wissen: Zuerst wolle er mit allen Beteiligten auf allen politischen Ebenen gesprochen haben - in den Gemeinden, im Kreis und bei der Landesregierung. "Man muss die Vorstellungen und Erwartungen jeder Partei miteinbeziehen", sagt Thiel. Eine dieser Gesprächsrunden war kürzlich in Stadtkyll: Dort traf sich der Landrat mit den Ortsbürgermeistern aus dem Oberen Kylltal. Eine gute Runde sei das gewesen, in der nicht zuletzt die sechs Abtrünnigen "gute Vorstellungen" geäußert hätten - zum Beispiel die deutlich bessere finanzielle Perspektive bei einem Wechsel nach Prüm. Aber man müsse schauen, "ob das allein das Maß der Dinge ist". Die Stimmungslage sei ihm bewusst, er sehe seine Aufgabe jedoch vorrangig "als Vermittler, als Moderator und auch als Verantwortlicher des Kreises". Eine Bürgerbeteiligung werde für ihn dann zum Thema, "wenn mehrere Varianten offenstünden". Und er selbst werde erst dann Position beziehen, wenn alle Gespräche geführt seien. Thiel: "Ich bin noch nicht durch." fpl

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