Abwasser-Studie sorgt für Unmut

Neuerburg · Um alle Haushalte im Neuerburger Land an die Kanalisation anzuschließen, müssten bis 2015 noch mehr als zehn Millionen Euro investiert werden. Eine Studie sollte untersuchen, ob es günstigere Alternativen zu dieser zentralen Abwasserbeseitigung gibt. Inzwischen zeichnet sich ab: Es gibt zumindest aus Sicht der Gutachter keine billigere Lösung - sehr zum Ärger der Initiatoren der Studie.

Neuerburg. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie gibt die Marschrichtung vor: Bis 2015 müssen alle Gemeinden an biologisch-mechanische Kläranlagen angeschlossen sein. Eine Maßgabe, die im Neuerburger Land längst nicht alle Gemeinden erfüllen: 17 der insgesamt 49 Ortsgemeinden sowie weitere 140 Einzelanwesen sind noch nicht an die Kanalisation angeschlossen. Um dies zu ändern, müssten in der Verbandsgemeinde (VG) Neuerburg mehr als zehn Millionen Euro investiert werden. Viel Geld für eine VG mit defizitärem Haushalt.
Gutachten kommt Anfang 2012


Zu viel Geld meinte die Unabhängige Bürgervertretung (UBV), die im Februar 2010 anregte, eine einfachere, finanziell tragbare Lösung zu erarbeiten. Allein die Logik gebiete es, den Bürgern der noch nicht angeschlossenen Gemeinden "die Möglichkeit zu geben, ihre bestehenden Kleinkläranlagen nach dem Stand der Technik nachzurüsten und die immens teuren vorgesehenen Kanalisationspläne aufzugeben", hieß es in dem von allen im Neuerburger VG-Rat vertretenen Fraktionen getragenen Antrag, der auch beim rheinland-pfälzischen Umweltministerium Anklang fand: Ende 2010 beauftragte das Land das am Umweltcampus Birkenfeld angesiedelte Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (Ifas), nach Alternativen zum Bau zentraler Kläranlagen in der VG Neuerburg zu suchen (der TV berichtete).
Voraussichtlich im Januar 2012 soll das Gutachten (siehe Extra) präsentiert werden. Zwar sind noch nicht alle Daten endgültig ausgewertet, dennoch wird es nach Überzeugung von Marco Angilella, Projektmanager im Bereich nachhaltige Wasserwirtschaft beim Ifas, darauf hinauslaufen, dass "eine eigene kleine Kläranlage für jeden Ort die günstigste Alternative" darstellt.
Die Folge: Es bleibt damit wohl bei den schon zuvor anvisierten Investitionskosten von rund zehn Millionen Euro für die 17 Gemeinden sowie weiteren 1,2 Millionen für die Außengehöfte. Ein Ergebnis, das Peter Trauden von der UBV, "maßlos enttäuscht". Er wirft der Neuerburger Verwaltung vor, sie habe "während der Erstellung der Studie die Mitarbeit der Rats- und Ausschussmitglieder massiv verhindert". Ein Vorwurf, den Norbert Schneider, Bürgermeister der VG, zurückweist. Auch die Verwaltung habe sich während der Erstellung des Gutachtens bewusst herausgehalten, sagt der VG-Chef: "Wenn ich ein unabhängiges Gutachten beauftrage, rede ich den Leuten nicht in ihre Arbeit rein."
UVB kündigt Protest an


Aufseiten der Verwaltung habe es gar "kein Interesse an billigeren Lösungen gegeben", sagt dagegen Trauden: Dabei seien viele Bürger bereit, "kleine Kläranlagen zu bauen und zu betreiben".
Dies allerdings sei nun mal nicht die kostengünstigste Lösung, entgegnet Ifas-Projektmanager Angilella: "Um diese Anlagen auf den neuesten Stand zu bringen, müsste jeder Bürger 10 000 bis 15 000 Euro investieren, in einer Gemeinde von beispielsweise 40 Einwohnern könnte ich für das Geld schon eine kleine Kläranlage für den ganzen Ort bauen."
Ein weiteres Problem: "Jede hauseigene Kläranlage müsste regelmäßig von uns überwacht werden", sagt VG-Chef Schneider, "das ist ein immenser Aufwand, den wir nicht tragen können." Wenn es nach ihm geht, sollte in den 17 Gemeinden und 140 Einzelanwesen so schnell wie möglich mit dem Bau der Kläranlagen begonnen werden.
Dafür allerdings muss der Neuerburger Verbandsgemeinderat dem Vorhaben noch zustimmen. Und das wiederum will zumindest die UBV mit Hinblick auf die zu erwartenden Gebührenerhöhungen (siehe Extra) verhindern. "Wenn wir das machen, dann knallen bei uns die Gebühren durch die Decke", sagt Trauden, "ich jedenfalls trage das nicht mit, das ist in meinen Augen asozial."Meinung

Nach dem Streit ist vor dem Streit
Nach dem Abwasserstreit ist offenbar vor dem Abwasserstreit: Kaum haben sich im Neuerburger Land die Wellen um den letztlich gescheiterten Beitritt zum luxemburgischen Abwasserverband Siden gelegt, droht im VG-Rat ein neuer Konflikt ums Abwasser. Ziel der Antragsteller war es, die teuren Kanalisationspläne zu verhindern: durchaus verständlich. Denn der Aufwand für das Klären des Abwassers von eine paar Hundert Bürgern steht in keinem Verhältnis zu den entstehenden Kosten. Doch das Gutachten gibt den Werken Recht: Danach gibt es keine günstigere Alternative. Dass das im VG-Rat allerdings so einfach hingenommen wird, ist nicht anzunehmen. Schließlich wären die Gebührenzahler die Leidtragenden, sie müssten für ihr Schmutzwasser künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen. Man muss wohl kein Prophet sein, um vorauszuahnen, dass es beim Thema Abwasser im Neuerburger VG-Rat bald wieder heiß hergehen wird. n.ebner@volksfreund.deExtra

Das Team der Ifas hat stellvertretend für alle 17 noch nicht angeschlossenen Orte mit Unterstützung zweier Ingenieurbüros drei Gemeinden - Waldhof-Falkenstein, Fischbach-Oberraden sowie Zweifelscheid - untersucht: Es wurden Daten erhoben und die Topografie der Gemeinden untersucht. "Wir haben dann in verschiedenen Modellen durchgerechnet, was sich besser rechnet - der Ausbau von hauseigenen Kleinkläranlagen, eigene, naturnahe Kläranlagen für jeden einzelnen Ort oder aber Gruppenkläranlagen für mehrere Gemeinden zusammen", erklärt Ifas-Projektmanager Marco Angilella. Die Kosten der Studie belaufen sich auf rund 76 000 Euro, das Land bezahlt davon 68 400 Euro, den Rest übernehmen die VG-Werke. nebExtra

In der VG Neuerburg wurden seit 1984 insgesamt 51,5 Millionen Euro in Kläranlagen und Anschlüsse an die Kanalisation investiert. Davon waren zehn Millionen Landeszuschüsse und 26 Millionen wurden mit zinslosen Darlehen des Landes finanziert. Für den Anschluss der verbleibenden 17 Gemeinden und 140 Einzelanwesen vorgesehenen Kosten in Höhe von 11,2 Millionen Euro hat das Land eine 50-prozentige Förderung sowie für den Restbetrag ein zinsloses Darlehen zugesagt. Die Abwassergebühren sind von 2,45 Euro pro Kubikmeter im Jahr 2001 auf 4,01 Euro gestiegen. Wenn das Abwasserbeseitigungskonzept komplett umgesetzt wird, könnten die Gebühren auf bis zu 5,50 Euro steigen, schätzt Werkleiter Hermann Hermes. neb/jk

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