Fachkräftemangel bremst Firmen aus

Bitburg · Der Fachkräftemangel ist in der Eifel angekommen. Das wurde deutlich bei der Diskussionsrunde Talk am Tower, bei der Unternehmer und Experten das Thema vor etwa 100 Gästen diskutiert haben. Ein Problem: Luxemburg zieht Fachkräfte mit besseren Nettolöhnen aus der Eifel ab.

Bitburg. Auf dem Industrie- und Gewerbegebiet Flugplatz Bitburg finden 1300 Menschen in 170 Unternehmen Arbeit - und es könnten noch mehr sein. Coskun Tüze, Geschäftsführer der Baudienstleistung und Recycling GmbH (BRG), die Gastgeber des ersten Talk am Tower ist, erklärt, er hätte sofort fünf Stellen zu vergeben - wenn denn die Bewerber dafür da wären.
Fachkräftemangel: Ein Thema, das ganz Deutschland bewegt, aber vor allem die Eifel. "Wenn man irgendwo von Fachkräftemangel sprechen kann, dann hier", sagt Wolfram Leibe, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Trier. Der Eifelkreis habe die niedrigste Arbeitslosenquote, seit etwa vier Jahren gebe es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Betroffen seien vor allem die Branchen Elektro, Metall, Hotel/Gaststätten und Pflege.
Auch Markus Kleefisch, Geschäftsführer des Bereichs Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier, betont: "In der Region fehlen uns rund 3000 Fach- und Führungskräfte." Dies habe eine gemeinsame Umfrage der Kammern und der Initiative Region Trier ergeben (siehe Extra).
Dass Fachkräftemangel auch einen wirtschaftlichen Schaden bedeuten kann, berichten die Unternehmer: "Unsere Wachstumsmöglichkeiten werden vom Fachkräftemangel eingeschränkt", sagt Tüze. Auch Jesús López Marin, Geschäftsführer von PSA Technology, bestätigt das: "Es kommt vor, dass wir Aufträge nicht annehmen können, weil wir nicht wissen, ob wir dafür genügend Leute haben."
Eine der vielen Ursachen für den Fachkräftemangel ist die demografische Entwicklung. Aber auch die Lage in der Eifel stellt Unternehmer vor Herausforderungen, denn viele Fachkräfte arbeiten wegen der besseren Netto-Löhne lieber in Luxemburg.
So komplex das Problem selbst ist, so komplex müssen auch die Lösungsansätze sein. "Niemand hat ein allgemeingültiges Rezept, wir brauchen eine individuelle Lösung und gerade in Bitburg und der Eifel noch cleverere Ideen als andere", sagt Leibe.
Landrat Joachim Streit bringt eine Idee auf den Tisch: Er schlägt vor, dass das riesige Areal der Housing ideal wäre, um jungen Fachkräften Unterkünfte zu bieten. Diese könnten aus südeuropäischen Ländern, wo die Jugendarbeitslosigkeit teils weit über 25 Prozent liege, beworben werden. Um den jungen Menschen aus Europa den Einstieg in der Eifel zu erleichtern, wäre auf dem Housinggelände zudem auch Platz, um Sprachkurse sowie weitere Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten. So gerüstet könnten die jungen Fachkräfte auch längerfristig an die Eifel gebunden werden. Denn Migranten müssen nicht nur in die Eifel gelockt, sondern vor allem auch in der Eifel gehalten werden. "Dafür müssen sie hier eine Heimat finden", sagt Streit. Auch Leibe erklärt: "Nicht das Gehalt ist ein entscheidener Faktor, sondern die Lebensqualität." Marketing müsse die Menschen gezielt ansprechen. "Besonders für Menschen mit Familie ist die Eifel ein Schlaraffenland", so Streit.
Leibe hakt ein: "Nur Migranten werden unser Problem aber nicht lösen." Dass der Schuh im Mikrokosmos Betrieb drückt, weiß Kleefisch. Besonders kleine Betriebe unter zehn Mitarbeitern seien betroffen. "Auch, weil hier Image und Bekanntheitsgrad fehlen", sagt er. Ute Oetjengerdes vom Arbeitskreis Schule Wirtschaft beim Eifelkreis erklärt: "Der persönliche Kontakt ist ausschlaggebend."
Aufgabe des Arbeitskreises sei es, den Kontakt zwischen Schulen und Unternehmen herzustellen und für einen regen Informationsaustausch zu sorgen. "Ausbildungsleiter müssen wissen, wie die Schulwirklichkeit heute aussieht, und Lehrer müssen wissen, welche Anforderungen heute an die jungen Leute gestellt werden", erklärt sie. Dort, wo in etwa fünf Jahren die größte Lücke drohe, nämlich im mittleren Sektor, will Kleefisch ansetzen: "Die duale Ausbildung muss gleichviel wert sein wie ein akademischer Abschluss."
Einen nicht unwesentlichen Beitrag können auch die Unternehmen leisten. "Firmen müssen auf die eigenen Ressourcen setzen und selbst für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter sorgen", so Kleefisch. So wie die BRG, die für drei ihrer Mitarbeiter aus Ungarn Deutschkurse anbietet. "Das ist nur ein kleiner Schritt, aber wenn das viele Unternehmen so machen, könnte das sehr wirksam sein", sagt Tüze.
Extra

Die Unternehmen in der Region würden sofort 3000 Fachkräfte einstellen, wenn diese mit der richtigen Qualifikation am Arbeitsmarkt verfügbar wären - das hat eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier, der Handwerkskammer (HWK) Trier und der Initiative Region Trier (IRT) ergeben. Beteiligt haben sich 700 Unternehmen mit insgesamt 32 000 Beschäftigten unter anderem aus Industrie und Baugewerbe. 40 Prozent geben an, keine Re-krutierungsprobleme zu haben. 20 Prozent berichten von großen Problemen. Nach Einschätzung der Unternehmen werde sich dieses Bild in drei bis fünf Jahren deutlich ändern. Zurzeit herrscht in weiten Teilen der Region Trier Vollbeschäftigung: Die Arbeitslosenquote liegt unter vier Prozent. Allein quantitativ stehen in den nächsten Jahrzehnten weniger Arbeitskräfte zur Verfügung: Laut Berechnungen des Statistischen Landesamts wird die Einwohnerzahl der Region Trier bis 2050 um 14 Prozent sinken. eib

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