Kamellen, Konfetti, Kieferbruch

Mehr Präsenz, strengere Regeln: Bei großen Festen in der Region wollen Polizei und die Verantwortlichen in den Kommunen mit vereinten Kräften gegen die meist alkoholbefeuerten Ausschreitungen vorgehen.

Prüm/Arzfeld/Jünkerath. So richtig lustig ist das nicht mehr: Die Zeiten friedlichen Frohsinns scheinen vielerorts vorbei. Vor allem der Karneval hat sich in den vergangenen Jahren zum Schauplatz brutaler Randale entwickelt (der TV berichtete). Und selbst wenn ein Fest ohne Scharmützel vorübergeht: Die Sorge ist immer dabei, ganz abgesehen von - zum Glück - meist friedlichen Schnapsleichen.

Unkontrollierte Sauferei lässt Hemmschwelle sinken



"Die Aggressionsbereitschaft bei jungen Leuten ist gestiegen. Das ist in der Kriminalstatistik nachlesbar," sagt Richard Schleder, stellvertretender Leiter der Polizei-Inspektion (PI) Prüm. "Festzustellen ist auch, dass alle Delikte unter Alkoholeinfluss geschehen sind. Und damit ist die Ursache für die Polizei geklärt."

Jung, besoffen und zunehmend gewaltbereit - das habe sich regelrecht eingebürgert, bestätigt der Jugendbeauftragte der Prümer Inspektion, Erwin Schwarz. "Das Problem ist die unkontrollierte Sauferei. Das führt dazu, dass bei dem ein oder anderen die Hemmschwelle sinkt oder dass er völlig die Selbstkontrolle verliert."

Und dann fliegen die Fäuste, unter anderem in Arzfeld und Lambertsberg in der vorletzten Session, 2008 außerdem in Gondenbrett und Stadtkyll. Die Stadtkyller Massenprügelei nach dem Rosenmontagszug beschäftigte die Polizei in besonderem Maße: PI-Chef Josef Junk richtete eine Arbeitsgruppe ein. Ergebnis der Ermittlungen: Einige der Schläger wurden zu harten Strafen verurteilt (TV vom 30. Oktober).

Nicht nur in der Eifel - und nicht nur im Karneval - wächst die Bereitschaft, auf andere Festbesucher einzuschlagen oder einzutreten.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch will das Problem jetzt mit einem Konzept zur besseren Vorbeugung angehen. Wesentlicher Bestandteil: eine enge Vernetzung aller verantwortlichen Stellen, "eine starke Polizeipräsenz zu tatrelevanten Zeiten an den einschlägigen Örtlichkeiten und zielgerichtete Kontrollen von potenziellen Tätern". Bruch: "Gerade durch eine intensive Kooperation zwischen Polizei und Kommunen können Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden."

In der Eifel geschieht das bereits: "Alle Institutionen sind sich der Problematik bewusst", sagt Peter Hillen von der Verbandsgemeinde Prüm. Die Polizei-Inspektion steht deshalb im Gespräch mit Vertretern der Verbandsgemeinden Arzfeld, Prüm und Obere Kyll, der Jugendämter, der Vereine und der Rettungsdienste, um in der anstehenden Session der Brutalität einen Riegel vorzuschieben. Allerdings werden auch andere Feste künftig mit strengerem Blick gesehen. Mehr zum Thema auf Seite 8

Meinung

Alle sind gefordert

Holt euch den Karneval zurück: zurück von den Hemmungslosen, die ihn nutzen, sich mutwillig daneben zu benehmen, sich ohne Rücksicht auf Verluste zu betrinken. Zurück von den Hirnlosen, die ihn missbrauchen, um Mitbürgern eins auf die Fresse zu geben. Zurück von den Verantwortungslosen, die Hochprozentiges an Jugendliche verteilen. Alle sind gefordert. Es kann nicht sein, dass Menschen davor zurückschrecken, zum Umzug zu gehen, weil sie Angst haben, ihnen oder ihren Kindern könnte etwas passieren. Es ist erschreckend, wenn Karnevalsvereine keine andere Lösung mehr sehen, als ihre Veranstaltung abzusagen. Dass die Polizei verstärkt Präsenz zeigen wird, ist gut, kann aber nur ein Teil der Lösung sein. Denn alle, denen ein unbeschwertes Fest am Herzen liegt, müssen dazu beitragen, die Randalierer zu isolieren und ihnen klarzumachen, dass ihr Verhalten nicht toleriert wird. c.brunker@volksfreund.deEXTRA Schlagkräftige Zahlen: Die Kriminalstatistik Rheinland-Pfalz weist einen kontinuierlichen Anstieg der Körperverletzungen in den vergangenen Jahren auf: Im Jahr 2004 wurden 19 235 Delikte gemeldet, 2005 waren es bereits mehr als 21 600. 2006 ein weiterer Anstieg auf 22 285, für 2007 sind 22 530 Vergehen gemeldet. Ähnlich sieht es bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen in der Öffentlichkeit aus: Seit 2004 stieg die Zahl dieser Delikte von 2343 auf 2974 im vergangenen Jahr. Quelle: Innenministerium Mainz. (fpl)

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