„Dann können wir den Laden schließen“

Kyllburg/Frankfurt · In die Affäre um Ex-Schiedsrichter Manfred Amerell kommt Bewegung. Im TV äußert sich derweil Herbert Fandel erstmals zu den Ereignissen.

(bl) Manfred Amerell hat gestern seinen Rücktritt angekündigt – gleichzeitig bestreitet der 62-jährige bisherige Schiedsrichter-Sprecher des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) weiterhin vehement die Vorwürfe der sexuellen Belästigung eines jungen Bundesliga-Referees.

Der DFB bewertet den Schritt als „richtig und notwendig“ (siehe Hintergrund). Herbert Fandel, der ab Oktober neuer Schiedsrichter-Boss werden könnte, zeigt sich im Interview mit TV-Redakteur Mirko Blahak schockiert.
Der 45-jährige Ex-Fifa-Schiedsrichter aus Kyllburg (Eifelkreis Bitburg-Prüm) spricht sich für einen „wirklichen Neuanfang“ aus.

Sie kennen Manfred Amerell schon lange. Wie bewerten Sie die Vorwürfe gegen ihn?


Fandel: Ich möchte niemanden vorverurteilen — gerade bei solch einem sensiblen Thema. Dennoch gebe ich zu: Gefühlsmäßig steht bei mir derzeit kein Stein mehr auf dem anderen.

Gestern hat Manfred Amerell seinen sofortigen Rücktritt angeboten. Ist das als Schuldeingeständnis zu werten?
Fandel: Das wird sich zeigen.

Kein gutes Licht fällt auf das Krisen-Management des DFB. Es dauerte fast einen Monat, ehe Volker Roth, der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses, DFB-Präsident Theo Zwanziger über die Vorwürfe informierte. Und DFB-Vize Rainer Koch warf die Brocken hin, weil er zunächst gar nicht unterrichtet wurde. Was läuft da schief beim DFB?

Fandel: Bei solch einer heiklen Angelegenheit kann man keine Schnellschüsse machen. Es muss ordentlich aufgearbeitet werden. Das geschieht aus meiner Sicht. Ich denke, Volker Roth hat zeitgerecht den Präsidenten Theo Zwanziger informiert. Er wiederum steht nun diesen Dingen in aller Ruhe und Besonnenheit gegenüber. Er tut alles dafür, die Sache sauber aufzuklären.

Schon länger geplant ist, dass Roth beim DFB-Bundestag im Oktober abtritt. Sie gelten als dessen Nachfolger. Sollte Roth über den Fall Amerell stolpern: Stünden Sie bereit für eine vorzeitige Amtsübernahme?

Fandel: Darüber mache ich mir im Moment keine Gedanken. Es ist geplant, dass Volker Roth im Oktober aufhört. Er hat betont, dass er von den Vorwürfen erst am 17. Dezember erfahren hat. Da dies so ist, gibt es für ihn keinen Grund, jetzt zurückzutreten.

Erst der Eklat um die Vertragsverhandlungen mit Bundestrainer Joachim Löw, nun die Schiedsrichter-Affäre: Haben Sie noch Lust, in exponierter Position beim DFB einzusteigen?

Fandel: Ich bin ein Kämpfer. Mir geht es um die Sache. Die Schiedsrichter haben keinen Grund, sich zu verstecken. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit veränderten Strukturen einen wirklichen Neuanfang bewirken können.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will eine stärkere Mitbestimmung im Schiedsrichterwesen. Zu Recht?

Fandel: Die Schiedsrichter müssen den Vereinen gegenüber in ihrer Aufgabe völlig unabhängig sein. Auch dafür werde ich einstehen. Mit der Einschränkung, dass ich jederzeit mit offenen Karten spielen möchte und bereit bin, in allen Fragen mit den Beteiligten aus Liga und DFB zusammenzuarbeiten. Dies wird meine Art sein, die Schiedsrichter zu führen. Diese Unabhängigkeit der Schiedsrichter ist für mich von essentieller Bedeutung. Ist sie nicht gewährleistet, können wir den Laden schließen.

Zwischen Roth und dem in der DFL für die Unparteiischen verantwortlichen Ex-Fifa-Schiedsrichter Hellmut Krug herrscht seit längerem Eiszeit. Beide reden kein Wort miteinander. Ist das Tischtuch nicht in unverantwortlicher Weise zerschnitten?

Fandel: Es gibt diese persönliche Kontroverse. Bei mir jedoch nicht. Ich habe kein Problem, auf Hellmut Krug zuzugehen. Auch wenn er bei der Liga verpflichtet ist, sehe ich ihn als ehemaligen Top-Schiedsrichter.

Angesichts solcher zwischenmenschlicher Probleme darf es doch nicht erst in einem halben Jahr zu personellen Veränderungen kommen – würden Sie Roths Job deshalb auch direkt übernehmen?

Fandel: Es gibt im Moment keine Anzeichen für einen solchen vorzeitigen Schnitt. Vor der Verantwortung für unsere Schiedsrichter aber werde ich mich nicht drücken.

HINTERGRUND
Klare Worte: Der DFB hat ungewohnt deutlich den Rücktritt des ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters Manfred Amerell begrüßt. „Wir halten ihn für richtig und notwendig, weil Erkenntnisse vorliegen, die leider die im Raum stehenden Vorwürfe gegen Herrn Amerell bekräftigen“, teilte der DFB mit.<EP>Amerell hatte nach schweren Vorwürfen gegen ihn seinen sofortigen Rücktritt von seinen DFB-Ämtern angeboten. Der 62-jährige Augsburger wies in einer Stellungnahme erneut die Anschuldigung zurück, er habe einen jungen Bundesliga-Schiedsrichter sexuell belästigt. Zu dem betreffenden Unparteiischen habe sich „eine intensive private Freundschaft“ entwickelt. Größten Wert lege er dabei auf die Feststellung, dass er diesen Schiedsrichter „zu keinem Zeitpunkt gegen seinen Willen zu dieser freundschaftlichen Beziehung gezwungen habe“. (dpa)

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