Lesung Als wäre man dabei gewesen

Konz · Eine Szenische Lesung über ein Bootsunglück vor fünf Jahren berührt die Zuhörer.

 Wolfgang Schwarz, Elisabeth Quaré, Werner Felten, Kerstin Röhlich-Pause und Philipp Groetzner (von links nach rechts) lasen „Ein Morgen vor Lampedusa“.

Wolfgang Schwarz, Elisabeth Quaré, Werner Felten, Kerstin Röhlich-Pause und Philipp Groetzner (von links nach rechts) lasen „Ein Morgen vor Lampedusa“.

Foto: Jürgen Boie

„Ein Morgen vor Lampedusa“ ist eine Collage von Augenzeugenberichten, Protokollen und Fotos zu einem grausigen Ereignis: Am 3. Oktober jährt sich ein tragisches Bootsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa zum fünften Mal. Damals kenterte ein mit Flüchtlingen völlig überladener Kutter wenige Hundert Meter vor der rettenden Küste – und über 300 Menschen ertranken im Mittelmeer.

Der Auftritt ist sehr sachlich, keine Effekte, keine Gefühle, stattdessen Protokolle und Berichte zu einer menschlichen Katastrophe, die vor fünf Jahren ein grelles Rampenlicht auf das schon damals alltägliche Drama im Mittelmeer warf: Am 3. Oktober 2013 kenterte ein winziger und maroder Kutter, und von den 545 Menschen an Bord starben 368. Und das, obwohl zufällig Fischer in der Nähe waren, wie auch ein Boot der italienischen Küstenwache.

Im Fernsehen gab es aufgrund der Katastrophe Sondersendungen, und Politiker waren beschämt darüber, dass der Behördendschungel und die italienische Gesetzgebung die Rettung Schiffbrüchiger erschwerten. Den Lebensrettern – Fischer, die am frühen Morgen mit ihren Kuttern zum Fischfang ausgelaufen waren – wurde der Prozess gemacht wegen der „Unterstützung illegaler Einwanderung“.

All dies ist das Thema der szenischen Lesung „Ein Morgen vor Lampedusa“, das Matthias Webel aus Hermeskeil mit fünf Vortragenden im Konzer Kloster Karthaus auf die Bühne brachte. Zu den von Elisabeth Quaré, Kerstin Röhlich-Pause, Werner Felten, Philipp Groetzner und Wolfgang Schwarz mit bewusst neutralem Tonfall vorgetragenen Texten, die der deutsch-italienische Autor Antonio Umberto Riccò zusammengestellt hat, gibt es Bilderprojektionen und Musik, die das gesprochene Wort bekräftigen und das Drama des Schiffsunglücks noch anschaulicher machen, als es die Texte für sich schaffen könnten.

Thomas Zuche vom Caritasverband Trier, der seit Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, hat die Lesung, die mittlerweile über 300 Mal in Deutschland aufgeführt wurde, nach Konz geholt. Er gewann als Regisseur den Pädagogen Matthias Webel, der die Lesung schon einmal in Hermeskeil inszeniert hatte.

Die Leserinnen und Leser sind alle in der Flüchtlingshilfe aktiv. Sie lasen daher die Texte trotz des sachlichen Tonfalls nicht als neutrale Wesen. Ihr Anliegen, dass jenseits aller politischen Debatten doch zumindest die Rettung von Menschenleben vor dem Ertrinken eine verpflichtende Aufgabe für jeden Menschen sein solle, wurde sehr deutlich.

Das Publikum, das ausgesprochen still den Texten zuhörte und die Bilder betrachtete, war zutiefst berührt. Das äußerte sich auch in den „Meinungskärtchen“, die die Besucher nach der Lesung füllen und anschließend an eine Pinnwand heften konnten. Da hieß es beispielsweise, dass die Vorschriften bei der Seenotrettung unmenschlich seien, oder dass die Nachrichten in den Zeitungen und im Fernsehen keinen Blick auf die Einzelschicksale ermöglichen würden. Diese Lesung hätte diese Perspektive ermöglicht.

Im Anschluss an die Lesung wurden Spenden gesammelt für den Rechtshilfefond Trier, ein Verein, der Flüchtlingen bei der Rechtsberatung hilft. Denn, so Zuche, eventuelle Prozesskosten werden zwar vom Staat übernommen, nicht aber die Rechtsvertretung der Flüchtlinge vor Gericht. Das müssten die Flüchtlinge selbst bezahlen.

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