"Doppik" naht mit großen Schritten

HERMESKEIL/KELL AM SEE. Sie ist ein eher ungeliebtes Kind. Dennoch arbeiten die Kommunen mit Hochdruck an der Einführung der Doppik – der von oben verordneten, doppelten kaufmännischen Buchführung.

Was ist ein Rathaus wert, das in diversen Jahrzehnten gebaut und erweitert wurde? Und wie ist Kunst am Bau in Euro zu beziffern? Derlei Fragen beschäftigen nicht nur die Hermeskeiler Verwaltung. Die Umstellung der kommunalen Haushaltsführung auf "Doppik" (doppelte Buchführung in Konten) gipfelt landauf landab in Denksport-Aufgaben. Bis zum 1. Januar 2007, spätestens 2009, müssen alle Vermögenswerte erfasst und bewertet sein. Die Verwaltungen sehen sich daher einem Berg zusätzlicher Arbeit gegenüber, der mit den eigenen Leuten kaum zu bezwingen ist. Obendrein müssen sie für den Abschied von der altbewährten "Kameralistik" auch noch tief in die Taschen greifen, um Software und Schulungen zu bezahlen. Verständlich daher, dass sich die Begeisterung für das neue System in Grenzen hält. Das Kern-Problem sei das personelle, sagt Hermeskeils Kämmerer Hans-Peter Lorang. Die Verwaltung hat bereits einen neuen Mitarbeiter eingestellt, um alle Posten - darunter allein 9500 Grundstücke - zu erfassen. Straßen, Plätze Wirtschaftswege - alles muss rein in die Bewertung. Auch gebrauchte Ersatzteile oder die in der Stadt verteilten Mülleimer. Von Inventar wie Büroeinrichtungen, Computern oder Fahrzeugen ganz zu schweigen. Und, so Lorang: "Das muss sehr sorgfältig gemacht werden, weil diese Werte in die Bilanz einfließen." Doch all die Arbeit könne an einem nichts ändern: "Wir haben am Ende nicht mehr Geld zur Verfügung." Die Doppik sei kein Allheilmittel, durch das sich die finanzielle Situation der Kommunen verbessern ließe. Andererseits biete sie sicher auch Vorteile, wie etwa durch die Bilanzierung von Forderungen und Schulden. Trotz Abschreibungen und Rückstellungen sei aber ein Bürgerhaus auch in Zukunft kaum kostendeckend zu unterhalten, da es dann schnell zu unattraktiv für die Nutzer ist.Gelassenheit in Kell

Doch es gibt auch Verfechter der Doppik. In Kell sieht man der Umstellung gelassen entgegen. "Wir haben das ja alles schon erlebt", verweist Bürgermeister Werner Angsten auf die Werke. "Das läuft ja seit mehr als 30 Jahren zur besten Zufriedenheit", sagt der Kommunalpolitiker mit mehr als 40 Jahren Verwaltungserfahrung. Kell habe daher vor drei Jahren auch Freibad und Campingplatz in Eigenbetriebe umgewandelt. Für den Tourismus gründete die VG den Verein "Hochwald-Ferienland". Den Vorteil der "Doppik" sieht Angsten in der Transparenz. So seien einem öffentlichen Gebäude sämtliche Kosten von der Heizung bis zum Hausmeister zuzuordnen: "Die privat-wirtschaftlichen Grundsätze müssen Einzug halten in den kommunalen Bereich." Man müsse da offen sein, so der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebundes Kreis Trier-Saarburg. Der Landes-Verband war zwar kein Vorreiter in Sachen Doppik, hatte sich aber letztlich den schon Mitte der 90er-Jahre verlauteten Forderungen der Politik angeschlossen. Tröstlich für die Kommunen ist, dass Gemeinden bundesweit vor ähnlichen Problemen stehen. Obschon es keine einheitliche Regelung gibt und Hessen, Hamburg und Bremen der Kameralistik treu bleiben. Auch der Bund und Rheinland-Pfalz haben sich bei der eigenen Haushaltsführung für das Altbewährte entschieden. Das Mainzer Finanzministerium führt dafür "handfeste praktische Gründe" an, so Pressesprecher Bernhard Landwehr. "Eine prinzipielle Abkehr von der gewachsenen Struktur würde erhebliche Kosten verursachen, die sich nicht rechnen. Es steht ihnen aus unserer Sicht kein adäquater Vorteil gegenüber." Eine Sichtweise, die viele unterschreiben. "Es ist schon merkwürdig, dass das Land die Doppik nicht einführt", bedauert Hermeskeils Bürgermeister Michael Hülpes, dass den Gemeinden dies dennoch "verordnet" wird.

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