Streit in Zerf spitzt sich zu

Zerf · Die Kritiker in Zerf sind sich einig: Wenn sich im Gewerbegebiet am Kreisel ein Norma-Markt ansiedeln darf und dort weitere Handelsbetriebe zugelassen werden, droht ein Ausbluten des Ortskerns. Wegen dieser Pläne prangert eine Bürgerinitiative vor allem das Verhalten von Gemeindechef Dieter Engelhardt (SPD) an. Der kontert die Vorwürfe. Doch auch im Gemeinderat tun sich Risse auf.

Zerf. Im Hochwaldort führt eine Streitfrage zu immer größerer Zwietracht. Auslöser dafür ist der geplante Norma-Markt im Gewerbegebiet am Zerfer Kreisel, das noch eine grüne Wiese ist.

Die Ausgangslage:
Der Discounter Norma will in Zerf eine Filiale eröffnen. Am 28. Mai entschied die Ratsmehrheit in nichtöffentlicher Sitzung, dass mit Norma ein Optionsvertrag zum Kauf eines Grundstücks abgeschlossen wird. Kurz zuvor hatten Gegner des Projekts im öffentlichen Teil eine Liste mit 881 Unterschriften an Ortschef Dieter Engelhardt (SPD) übergeben.
Außerdem hatte Ralf Koch, Inhaber des bestehenden Nah- und Gut-Geschäfts, betont, dass er bei einer Ansiedlung von Norma schlechte Überlebenschancen für seinen eigenen Markt sieht. Nach dem rechtsgültigen Bebauungsplan ist am Zerfer Kreisel nur die Ansiedlung von Gewerbebetrieben möglich. Handelsfirmen, also zum Beispiel Verbrauchermärkte, sind dort nicht zugelassen.

Die Kritik:
Thomas Keyser ist Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) Attraktive Ortsmitte. Er betont: "Es geht uns nicht um Norma. Es geht uns um ein grundsätzliches Problem. Wenn Handel auf der grünen Wiese zugelassen wird, dann wird Kaufkraft aus dem Ortskern abgezogen. Wir wollen aber nicht, dass eine funktionierende Ortsmitte zerstört wird."
Nicht nur der Lebensmittelmarkt von Koch sei in diesem Fall gefährdet. Auch anderen Geschäften drohe dann das Aus. Das wiederum führe zu Leerständen und Attraktivitätsverlust des ganzen Orts und verhindere damit einhergehend zum Beispiel die Neuansiedlung von jungen Familien. Auf Unverständnis stößt bei der IG das Vorgehen des Rats. "Da wurde doch der zweite Schritt vor dem ersten gemacht", kritisiert Koch mit Blick darauf, dass schon ein Vertrag mit Norma geschlossen wurde, obwohl der Bebauungsplan im Gewerbegebiet noch gar nicht geändert ist. Deshalb hat die IG die Kommunalaufsicht eingeschaltet (siehe Extra).
Keyser ist der Meinung, "dass in Zerf Politik an der Öffentlichkeit vorbei gemacht wird". Der IG-Sprecher würde es befürworten, dass in Zerf einen Bürgerentscheid die Frage klärt, ob im Gewerbegebiet grundsätzlich Handel zugelassen wird oder nicht.

Das sagt der Ortschef:
Zumindest in einem Punkt stimmt Engelhardt der IG zu: "Ein Bürgerentscheid wäre ein guter Ansatz. Da würde ich mich auch gar nicht querstellen." Engelhardt sieht sich zu Unrecht in der Kritik. "Ich lasse mir nicht vorwerfen, dass ich das Ausbluten des Ortskerns fördern würde." Die Entwicklung sei dort in den vergangenen Jahren nicht so positiv, wie es die IG darstelle. Aus seiner Sicht führt die mögliche Ansiedlung von Handel im Gewerbegebiet dazu, "dass sich Zerf im Allgemeinen wieder belebt". Weil es diese konträren Positionen gibt, erinnert Engelhardt daran, dass der Rat am 28. Mai eine Verträglichkeitsstudie in Auftrag gegeben hat, welche Auswirkungen ein Discounter auf die Läden im Ortszentrum hat. "Bevor dieses Gutachten nicht auf dem Tisch ist, passiert sowieso nichts", sagt Engelhardt.
Es werde innerhalb der nächsten zwei Monate fertig sein. Im Übrigen verweist Engelhardt darauf, dass mit Norma nur ein Optionsvertrag existiert. Das Grundstück sei also noch nicht verkauft, und beide Seiten hätten ein Rücktrittsrecht. Zudem verweist der SPD-Mann darauf, dass im Gewerbegebiet nur etwa 4500 Quadratmeter Ansiedlungsfläche vorhanden seien. Selbst wenn dort ein Norma-Markt kommen sollte, "kann dort überhaupt keine Shopping-Mall entstehen. Das gibt das Gelände gar nicht her. Es sei denn, man würde die Geschäfte übereinanderstapeln."Meinung

Lasst die Bürger entscheiden
In Zerf gibt es einen klassischen Zielkonflikt, bei dem eine Kompromisslösung ausgeschlossen scheint. Die Gegner des Norma-Markts sagen: Wer Handel auf der grünen Wiese zulässt, versetzt den Geschäftsleuten im Zerfer Zentrum den Todesstoß. Sie sind deshalb gegen den vom Rat eingeschlagenen Kurs, der diese Ansiedlungspläne offenbar mehrheitlich wohlwollend sieht. Die Situation ist also verfahren, und es ist zu befürchten, dass der Zwist in Zerf sich in den nächsten Wochen sogar noch verschärfen wird. Immerhin: Einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt es. Sowohl Gegner als auch Befürworter würden sich nicht dagegen sperren, dass ein Bürgerentscheid die Streitfrage klären soll. Beispiele in ähnlich gelagerten Fällen gibt es übrigens genug: Zum Beispiel haben 2011 die Kaiserslauterner über ein Einkaufszentrum in ihrer Innenstadt abgestimmt. Warum sollten ihnen das die Zerfer in Sachen Norma und Handel auf der grünen Wiese nicht nachtun? a.munsteiner@volksfreund.deExtra

Während im aus vier Fraktionen bestehenden Zerfer Rat die CDU und FWG in der Norma-Diskussion öffentlich eher zurückhaltend agieren, ist die früher enge Zusammenarbeit zwischen BOK (Bürgerunion offene Kommunalpolitik) und SPD inzwischen Geschichte. Ein wichtiger Grund: Die BOK-Mitglieder Walter Kesseler und Waldemar Rommelfanger wurden am 28. Mai von der Abstimmung im nichtöffentlichen Teil ausgeschlossen. Denn Kesselers Frau arbeitet im Geschäft von Koch und ist die Schwester von Rommelfanger. Wegen dieser Entscheidung hatte Kesseler die Kommunalaufsicht eingeschaltet. Aus Protest gegen die "Art und Weise, wie in Zerf Politik gemacht wird", ist Edith Rommelfanger aus der SPD-Fraktion ausgetreten und hat sich der BOK angeschlossen. Sie ist die Frau von Engelhardts Amtsvorgänger und Parteifreund Manfred Rommelfanger, der in beratender Funktion für die IG tätig war und deren Position vertreten hatte (der TV berichtete). axExtra

Die prüfende Kreisverwaltung hat zwischenzeitlich sowohl der IG als auch Walter Kesseler von der BOK geantwortet. In beiden Fällen wird das Handeln des Zerfer Gemeinderats kommunalrechtlich nicht beanstandet. Kesseler hatte dagegen protestiert, dass er und Rommelfanger am 28. Mai - als es um den Optionsvertrag mit Norma ging - wegen Sonderinteressen nicht mit abstimmen durften. Kesseler wollte, dass deshalb der Beschluss wieder aufgehoben wird. Für diese Forderung sieht der Kreis keine Veranlassung. Dass über die Grundstückangelegenheit zwischen Gemeinde und Norma nicht-öffentlich beraten wurde, sei rechtlich korrekt, so der Hinweis auf die Eingabe der IG. Der Kreis weist aber ausdrücklich darauf hin, dass das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans "mit Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen ist. Insofern wird die generelle Entscheidung, einen Discounter im Gewerbegebiet anzusiedlen, in öffentlicher Sitzung erfolgen." ax

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