Aufnahme von Brahms-Trio erlaubt Blick in die Komponistenwerkstatt

Brahms Klaviertrio Opus 8 in zwei Varianten - dieses musikalische Erlebnis vereint das Trio Testore auf zwei Tonträgern. Eine Einspielung auf höchstem Niveau.

Johannes Brahms war ein Komponist mit strengster Selbstkontrolle. Entwürfe, Unfertiges oder Kompositionen, die seinen eigenen Ansprüchen nicht genügten, landeten im Abfall. Ein einziges Mal gestattet Brahms einen Blick in seine Werkstatt. Im Jahr 1854 hatte er, gerade mal 21-jährig, ein Klaviertrio in H-Dur geschrieben und unter der Opuszahl 8 veröffentlicht. 35 Jahre später, 1889, unterzog er das Werk einer strengen Revision, kürzte ganze Passagen, arbeitete andere um und veröffentlichte das Ergebnis erneut als Opus 8.
In der Musikwissenschaft und in der Konzertpraxis hat die spätere Fassung beinahe ein Monopol. Erst kürzlich hat das Trio Testore auf einer Doppel-SACD (einer speziellen Form der DVD mit besonderen Klangeigenschaften) des Labels Audite neben den Trios op. 87 und 101 auch beide Versionen des H-Dur-Trios eingespielt - nach Angaben der Interpreten weltweit zum ersten Mal. Beim Hören zeichnet sich rasch ab, worauf Brahms mit der Neufassung zielte. Die ältere Version klingt ausladender, weniger konzentriert, aber schwärmerisch und ausdrucksbetont.
Da komponiert ein junger Mann am Beginn seiner Karriere, nachdrücklich gefördert von Robert Schumann, Freund und Vertrauter von dessen Ehefrau Clara. Als Brahms sein Opus 8 überarbeitete, waren die vier Sinfonien und die insgesamt vier Konzerte (zwei für Klavier, eins für Violine und das Doppelkonzert) publiziert; der Komponist galt als herausragender Künstler und als bedeutende Person im öffentlichen Leben. Brahms konzen triert die Komposition, nimmt ihr dabei allerdings auch etwas von ihrer euphorischen Jugendlichkeit. Die Versionen spiegeln zwei Lebensphasen des Komponisten wider, und gerade darin erweist sich die Frühfassung als Musik "eigenen Rechts".
Die Einspielung mit dem Trio Testore steht auf höchstem Niveau. Bei Franziska Pietsch (Violine), Hans Christian Schweiker (Cello) und Hyon-Jong Kim-Schweiker (Klavier) klingt die romantische Ausdrucksseligkeit im Frühwerk genauso überzeugend wie die helle Energie im Opus 87 oder die konzentrierte Tonsprache in den Opera 101 und 8, Spätfassung. Auch aufnahmetechnisch ist die SACD exzellent. mö
Johannes Brahms, sämtliche Klaviertrios: Opus 8 (zwei Fassungen), Opus 87 und Opus 101. Trio Testore. Audite 91.668 (2 SACD).

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