Dem Vergessen entrissen

Luxemburg · Einhelliger Jubel für eine Wiederentdeckung: Nach mehr als 200 Jahren kehrt die Oper "Olimpiade" von Josef Myslivecek auf die Bühne zurück. Das Publikum im Grand Théâtre hatte trotz dreistündiger Netto-Spielzeit viel Vergnügen mit dem Liebesdrama am Rand der antiken Olympischen Spiele.

Luxemburg. Es kann angesichts der vielen experimentellen Deutungen auch mal ganz erholsam sein, eine Oper zu sehen, die einfach nur auf wunderbar poetische Bilder, sorgfältigst ausgearbeitete Interaktion und ein musikalisch perfektes Team setzt. So wie es Regie-Altmeisterin Ursel Herrmann (oder klingt das zu uncharmant?) bei der Ausgrabung der Myslivecek-"Olimpiade" getan hat, die nach der Premiere in Prag und Aufführungen in Frankreich nun im Grand Théâtre zu sehen war.
Für das Verwirrspiel-Drama um einen falschen Olympiasieger, einen wiedergefundenen Sohn, zwei sich überkreuzende Liebesverhältnisse und ein ziemliches Durcheinander der Geschlechter haben Herrmann und ihr Bühnenbildner Hartmut Schörghofer symbolkräftige Bilder gefunden. Den Boden ziert ein aufgemaltes Labyrinth, der rechteckige, in dunkelgrün gehaltene Raum wirkt hermetisch abgeriegelt, seine Wände lassen sich aber wie von Zauberhand durchdringen. Ein mächtiger Lichtgang ist der scheinbar einzige Ausweg aus der schicksalhaften Bedrängnis.
In diesem stimmungsvollen Raum tritt ein Ensemble an, dessen stimmliche Finesse und Ausgeglichenheit die (durchaus mozart-ähnlichen) Klänge des in Vergessenheit geraten Mozart-Zeitgenossen Myslivecek aufs Feinste zur Geltung bringt. Vornweg die gewandte, anrührend singende Sopranistin Rafaella Milanesi, unterstützt von dem eminent kraftvollen und ausdrucksstarken Mezzo von Sophie Harmsen, deren Spiel von Spannung buchstäblich bis in die Zehenspitzen gekennzeichnet ist.
Vier brillante Pantomimen treten als tänzerisch-elegante Hüter des Schicksals auf - so glaubt man, bis sich das Quartett als präzise intonierender, offenbar motorisch hochbegabter Chor entpuppt. Das Tüpfelchen auf dem i liefert das hochkonzentrierte, aus einem Guss spielende, alle Chancen der Partitur nutzende Collegium 1704 unter der Leitung von Vaclav Luks, der nicht zufällig als neuer Stern am Himmel der Alten Musik gilt.
Von Luks, aber auch von Myslivecek wird man noch mehr hören. Zumindest lässt das der anhaltende Jubel des Publikums im Grand Théâtre vermuten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort