Der Mann, der den Ton angibt

Bernkastel-Kues · Zum runden Geburtstag schenkt er sich ein besonderes Konzert: Wenn Hermann Lewen am Samstag 60 wird, fallen Arbeit und Vergnügen beim Auftritt von Martin Stadtfeld im Innenhof des Kurfürstlichen Palais\' wieder einmal zusammen. Der Festivalchef und seine Veranstaltungsreihe sind einfach nicht zu trennen.

 Greift gerne in alle Saiten: Hermann Lewen mit der Ukulele von Festival-Stargast Götz Alsmann. TV-Foto: Gerhard Kluth

Greift gerne in alle Saiten: Hermann Lewen mit der Ukulele von Festival-Stargast Götz Alsmann. TV-Foto: Gerhard Kluth

Bernkastel-Kues. "Guten Abend, meine Name ist Hermann Lewen, und ich begrüße Sie beim Mosel Musikfestival". Wenn man zählen würde, wie oft diese Einstiegsformel einen Konzertabend eröffnet hat, wäre man bei 1000 noch lange nicht fertig. Seit 27 Jahren organisiert der Landwirtssohn aus Altrich eine der größten Kulturveranstaltungsreihen im Land - so intensiv, dass sein Name und der des Festivals geradezu Synonyme geworden sind. Wenn ein Moselaner "dem Lewen sein Festival" sagt, riskiert er jedenfalls keine Missverständnisse.
Wer ihn am Rand eines Konzertes beobachtet, macht mancherlei Entdeckungen. Er sieht einen hyperaktiven Perfektionisten, der Stühle gerade rückt, Klopapierrollen zählt, Künstler chauffiert (gelegentlich unter Verletzung gängiger Verkehrsregeln), Prospekte verteilt. Aber er sieht auch einen Menschen, der dem Probespiel eines Musikers versonnen lauscht, sich fast ehrfürchtig an ein Instrument setzt. Der im größten Getümmel Zukunftspläne schmiedet. Der immer einen Plan B im Ärmel hat.
Immer in Bewegung


Nein, dass er einst nach der Realschule mal eine ordentliche Verwaltungsbeamten-Karriere mit Prüfung für den gehobenen Dienst eingeschlagen hat, würde man heute nicht mehr vermuten. Hermann Lewen ist mit Leib und Seele das Gegenteil von Verwaltung. Einer, der unermüdlich treibt, immer tänzelnd, immer in Bewegung, so als müsse er den Umstand kompensieren, dass er kein Riese an Gestalt ist. "Lasst mich den Löwen auch spielen", sagt Zettel in Shakespeares "Sommernachtstraum". Ein Lewen-Bruder im Geiste.
Wie viele seiner Art hat er die Neigung, Arbeit nicht abzublocken, sondern immer neue anzuziehen. Jahrelang war er neben der Leitung des Festivals noch Chef eines kommunalen Kinos, Leiter einer Kur-GmbH, Stadtrats- und Kreistagsmitglied - letzteres übrigens für die CDU - was sich aber aus seinen Ansichten zu Politik und Personen nur sehr begrenzt ablesen lässt.
Dass man ihm auch noch die Aufgabe eines Kulturmanagers der Initiative Region Trier aufband, brachte ihm eine der wenigen Niederlagen seiner Karriere ein: Gegen die Bräsigkeit der Politiker und das Desinteresse der Wirtschaft war selbst ein Hermann Lewen chancenlos beim Versuch, eine regionale Kulturagentur auf die Beine zu stellen.
Der Vater dreier Töchter ist mal Poltergeist, mal Diplomat. Noch nie hat er sich gescheut, Leuten auf den Wecker zu gehen, wenn das Wohl des Festivals es erfordert. Es soll Journalistenkollegen geben, die drei Kreuze schlagen, bevor sie das Telefon abheben, wenn sie im Display die Nummer aus Bernkastel-Kues sehen. Der Artikel zu kurz, die Überschrift nicht groß genug, die Platzierung schlecht, oder, am schlimmsten, ein anderer Kulturveranstalter der Region besser bedient: Das Feedback bleibt nicht aus. Notfalls via iPhone aus dem entlegensten Winkel, oder - neuerdings besonders gern - per Facebook, wo er 1147 Freunde hat.
Und doch haben ihm die Journalisten der Region den Ehrenpreis "Der kurze Draht" für seine Kommunikationsfreudigkeit verliehen. Man darf annehmen, dass er darauf nicht weniger stolz war als auf die Peter-Cornelius-Plakette oder das Bundesverdienstkreuz. Er hängt solche Dinge nicht an die große Glocke, aber er sorgt schon diskret dafür, dass es nicht übersehen wird. Ein bisschen Eitelkeit darf ruhig sein bei einem ansonsten in Äußerlichkeiten und Formalitäten ausgesprochen uneitlen Menschen.
Klare künstlerische Handschrift


Dass aus dem anfänglichen "Geschäftsführer" der Veranstaltung im Laufe der Jahre ein "Intendant" geworden ist, war dem Bedürfnis der Medien nach griffigen Formulierungen geschuldet. Aber es ist auch nicht bekannt, dass Hermann Lewen der verbalen Beförderung lebhaft widersprochen hätte. Zu Recht, trägt das Festival doch seine künstlerische Handschrift: Vielfältig, aber nicht beliebig. Gediegen, aber nicht konservativ. Innovationsbereit, aber nicht waghalsig.
Seine Art zu arbeiten, geht bisweilen zulasten von Privatleben und Gesundheit. Manchmal sieht er ein bisschen müde aus. Aber dann quellen die Ideen für die nächsten Jahre aus ihm heraus. Zum Beispiel der Traum, die seit dem Ende der Antikenfestspiele verwaisten römischen Stätten für sein Festival nutzbar zu machen. Das wird viel Überzeugungsarbeit brauchen, bei Politikern wie Geldgebern. Aber wer sollte das hinkriegen, wenn nicht er.

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