Der Messias als Massenphänomen

Trier · Wie wäre es, wenn Jesus heute kommen würde? Würde er auch gehyped, um dann fallengelassen zu werden? Oder würde er es schaffen, seine Idee vom Weltfrieden zu realisieren? Diesen Fragen geht das Theater Trier ab 2. Juli in Martin G. Bergers preisgekrönter Regie im Musical "Jesus Christ Superstar" nach.

 Ob Leinwandstars wie Marilyn Monroe oder umjubelte Discoqueens – der Weg vom Idol zum Loser ist heute noch kürzer als zu Jesu Zeiten. Grafik: Theater Trier

Ob Leinwandstars wie Marilyn Monroe oder umjubelte Discoqueens – der Weg vom Idol zum Loser ist heute noch kürzer als zu Jesu Zeiten. Grafik: Theater Trier

Foto: (g_kultur

Trier. Ein Traum wird wahr am Samstag, 2. Juli. Martin G. Berger hat ihn im Januar dem Trierer Theaterpublikum und einer Jury um Intendant Karl Sibelius präsentiert, beim Endentscheid des Trierer Musical-Awards für junge Regisseure. Damals ging er einstimmig als Sieger hervor (der TV berichtete). Der Gewinn: die Inszenierung des Kultmusicals "Jesus Christ Superstar" in Trier.Ein Traum wird wahr


Berger hat sein Konzept, aufwendig und beeindruckend zugleich, auf das Trierer Walzwerk in Kürenz zugeschnitten. Denn er braucht viel Platz: Zwei Bühnen sind unterzubringen, zwei Bereiche für die Zuschauer. Die bekommen per Liveaufzeichnung auf eine riesige Leinwand mit, was sich auf dem jeweils anderen Schauplatz tut. Das war sein Traum. Nun kommt die Realität.

"Es ist erstaunlich viel übrig geblieben", freut sich Berger. "Wir sind sehr nah dran an dem, was wir geplant haben." So steht die Doppelbühne mitten im Walzwerk, davor je eine Tribüne für insgesamt 650 Zuschauer. "Statt den geplanten zwei haben wir jetzt vier Kameras", erklärt der 28-Jährige. Zwei sind fest installiert. "Die zwei Handkameras sind dokumentarisch nah an den Darstellern dran." Der Bühnenhintergrund ist in Froschgrün gehalten. Auf diese Greenscreens werden verschiedene Hintergründe eingefügt. Das wirke wie ein Filmstudio, und funktioniere auch so, verspricht Berger.

Nur eines bedauert er: "Wir mussten aus Platzgründen darauf verzichten, mit einem kompletten Orchester zu spielen." Die fünfköpfige Rockband unter der Leitung von Dean Wilmington steht mit auf der Bühne und spielt direkt in die Boxen, die beide Tribünen gleichermaßen beschallen. So wollen Berger und sein Team die Schwierigkeiten der Tontechnik in der großen Halle in den Griff kriegen.

Berger hat das Musical aus dem Jahr 1971 ins Jahr 2016 transferiert. Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Text) erzählen darin in Anlehnung an die Bibel die letzten sieben Tage Jesu. "Es ist ein Stück über Hypes und Massenwahn, weniger ein religiöses.Musicalstar singt den Jesus


Wir konzentrieren uns sehr stark auf den ‚Superstar'." Dazu benutze er die Medien von heute. "Die haben sich seit 1971 massiv geändert. Wir erzählen also eine alte Geschichte mit Mitteln von heute." Dabei bleibe er nah an den Figuren und Texten, die im Original auf Englisch - mit Untertiteln, wie im Kino - gesungen werden.

Positiv überrascht sei er auch gewesen, als er den Cast zum Musical gelesen habe, sagt Berger. Mit David-Michael Johnson (DMJ genannt) als Jesus und Sa-sha Di Capri (bekannt aus "Rent") als Judas hat das Theater zwei renommierte Künstler gewonnen. "Sie beherrschen die stimmlichen Herausforderungen ihrer Rollen", freut sich Berger. DJM hat bereits in vier Produktionen den Judas gesungen. "Es ist von unschätzbarem Vorteil, wenn so erfahrene Künstler dabei sind."Carin Filipcic spielt Herodes


Zudem sind Opern- und Extrachor sowie das achtköpfige Tanzensemble The People United Project involviert. Als Maria Magdalena ist Sidonie Smith zu sehen, als Pontius Pilatus Norman Stehr, als Kaiphas Christopher Ryan, und den Herodes spielt Carin Filipcic "Wir haben die Rolle bewusst mit einer Frau besetzt, weil wir zeigen wollen, dass Macht und Machtmissbrauch wenig mit dem Geschlecht zu tun haben." Er begreife das Stück "als Metapher", sagt Berger. "Wie wäre es, wenn Jesus heute kommen würde?" Er wolle zeigen, warum die Masse, die Jesus zuerst hochjubelt, ihn fallenlässt und ans Kreuz bringt. "Das kann in jeder Zeit mit jedem Medium passieren. Und heute ist alles live und direkt, in Echtzeit."

Premiere ist am 2. Juli, 19.30 Uhr, im Walzwerk Trier-Kürenz. Kartentelefon 0651/718-1818.Extra

Das Musical "Jesus Christ Superstar" im Walzwerk zu zeigen, sei eine Grundsatzentscheidung gewesen, sagt Theaterintendant Karl Sibelius, resultierend aus dem Musical Award. Diese Produktion könne nur im Walzwerk realisiert werden, nicht am Standort Augustinerhof. Die Kosten dafür belaufen sich laut Stadt auf rund 276 000 Euro. Das Theater habe von Beginn der Produktion an sämtliche Möglichkeiten, Kosten zu reduzieren, umgesetzt sowie mit Sponsoring gearbeitet. Zum Vergleich: Das Musical "Rent" (2016) hat 57 000 Euro gekostet, die Uraufführung "Ur" (2015) 125 000 Euro und die "West Side Story" (2012) in der Bobinet-Halle 357 000 Euro. "Außenproduktionen sind immer teurer als im Haus", erklärt Intendant Sibelius. Die gesamte Infrastruktur wie Technik und Tribünen müsse neu geschaffen werden. "Bei ‚Jesus Christ Superstar‘ handelt es sich um eine technisch wegweisende Musical-Produktion, die europaweit bei Sound- und Visualdesignern für Interesse sorgt." Französische Experten seien daran interessiert, das Know-how für die Show vom Partner Pro Musik abzukaufen. mehi

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