Europa? Ohne uns!

Luxemburg · "Total Théâtre" - mit diesem anspruchsvollen Titel startet ein Kooperationsprojekt der Großregion. Es bringt Theater aus Luxemburg, Saarbrücken, St. Vith, Thionville, Eupen und Lüttich unter ein Dach. Nur Trier fehlt - man ist zu arm, um sich zu beteiligen.

Luxemburg. Sie sind sichtlich stolz, die Theaterchefs aus der Großregion, die auf der Bühne des Nationaltheaters Platz genommen haben, um den Kooperationsvertrag zu unterzeichnen. Das gemeinsame Projekt werde "der Großregion auf der Ebene des Theaters ein neues Gesicht verleihen", schwärmen Hausherr Frank Hoffmann und Luxemburgs Kulturministerin Octavie Modert. Sogar die EU habe das eingesehen, sagt die Politikerin, und mehr als zwei Millionen Euro aus Interreg-Mitteln für das Projekt spendiert. Im Saarland sei die Initiative "ein ganz großes Thema", sagt die Saarbrücker Intendantin Dagmar Schlingmann.
Das Wort "Trier" fällt an diesem Vormittag nur ganz am Rande. Trier sei in dem Theater-Sixpack nicht dabei, sagt Hoffmann, fungiere aber als "strategischer Partner". Was das faktisch heißt, kann niemand sagen. Klingt nach einem protzigen Türschild vor einem gänzlich leeren Büro.
Auf Nachfrage erklärt Hoffmann, man habe mit den Trie-rern fest gerechnet, zumal sich das Theater bei der Erstauflage von "Total Théâtre" zur Kulturhauptstadt 2007 sehr engagiert habe und an der Ausarbeitung des neuen Konzepts massiv beteiligt gewesen sei. Bei den Projektpartnern sei man "ziemlich geschockt" gewesen, als dann kurz vor Toresschluss die Absage kam, mit der Begründung, man habe kein Geld, um die 50 Prozent Eigenbeiträge zu leisten, die die EU bei Förderzusagen verlangt.
Keiner kann Absage erklären


Irgendwo im Publikum sitzt an diesem Vormittag auch der Trie-rer Chefdramaturg Peter Oppermann. Er sei "ziemlich traurig", bekennt er offen, dass Trier sich nicht in der Lage gesehen habe mitzumachen, "aber bei so einem strikten Sparkurs können wir uns das nicht leisten".
Wie die Trierer Absage bei der prestigeträchtigen Zusammenarbeit zustande kam, kann aber niemand so richtig erklären. Jedenfalls nicht der zuständige Kulturdezernent Thomas Egger. Die Entscheidung liege "schon länger zurück", lässt er ausrichten, möglicherweise noch in der Amtszeit seines Vorgängers. Der Trierer Ausstieg, der ausgerechnet fast zeitgleich mit der Übernahme des Kultur-Chef-Postens der Großregion durch Egger öffentlich wurde, habe ihn "einigermaßen überrascht". Dass die Entscheidung mit dem heutigen Wissensstand wieder genauso ausfiele, daran hat man im Rathaus offenbar Zweifel. Bis Mitte kommender Woche will Egger den Vorgang prüfen und dann noch einmal Stellung nehmen.
Offenbar war eine Eigenbeteiligung in sechsstelliger Höhe das entscheidende Hindernis. Ob sich das Budget hätte auftreiben lassen, ist mit dem zuständigen städtischen Ausschuss nie besprochen worden - jedenfalls erinnert sich niemand an eine Diskussion. Noch merkwürdiger: Auch beim Mainzer Kulturministerium hat niemand eine Förderung beantragt. Dabei hatte das Land "Total Théâtre" schon 2007 großzügig finanziert und hätte diesmal - angesichts des inhaltlich größeren Ansatzes - wohl kaum den Geldbeutel zugemacht.Meinung

Absurdes Theater
Was ist denn da schiefgelaufen? Da passiert endlich das, was alle fordern: innovative Ansätze für eine Theater-Kooperation in der Großregion, und zwar nicht in Tralala, sondern mit spannenden strukturellen Ansätzen. Vernetzung, Knowhow-Austausch, gemeinsame Strukturen, rüber über den Tellerrand, ran an ein neues Publikum. Die EU legt sogar zwei Millionen auf den Tisch. Und dann ist Trier nicht dabei, weil es seinen Eigenbeitrag nicht leisten kann. St. Vith kann. Thionville kann. Eupen kann. Turbopeinlich! So richtig ärgerlich wird es aber, wenn sich der Eindruck verfestigt, dass da niemand mit irgendwem geredet hat. Warum hat keiner beim Rat gefragt, wie wichtig er das findet? Warum wurde beim Land keine Hilfe beantragt? Warum keine öffentliche Debatte geführt, mit der man vielleicht hätte Sponsoren gewinnen können? Vielleicht waren die Prioritäten falsch gesetzt. Für die Sternschnuppen-Kooperation mit dem portugiesischen Faro war offenbar Geld da. Für ein überflüssiges, schweineteures Quattropole-Konzertprojekt auch. Zudem hätte "Total Théâtre" Produktionen nach Trier gebracht und damit zusätzliche Einnahmen. Und das Theater hätte den Eigenanteil womöglich in praktischen Leistungen erbringen können. Es wird nicht viel bringen, jetzt nachzuforschen, wer da was verbockt hat. Vielleicht gibt es ja noch eine Chance, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Wenn schon mal einer in die richtige Richtung fährt … d.lintz@volksfreund.deExtra

Das Projekt läuft bis Ende 2014. Sechs Theater der Großregion bilden ein Netzwerk, tauschen die Kompetenzen ihrer Abteilungen aus, arbeiten bei Technik, Werbung, Jugendarbeit zusammen. Sie schulen wechselseitig ihre Mitarbeiter, fördern junge Regisseure und Autoren. Ein "Theaterstudio Großregion" organisiert gemeinsame Projekte, es gibt Schreibwettbewerbe für Schüler. Alle Kräfte werden gebündelt, um zwei Produktionen internationalen Formats auf die Beine zu stellen, die in allen Häusern gezeigt werden. Es gibt Festivals und Theatertreffen. Grenzüberschreitend wird um neues Publikum geworben, auch mit gemeinsamer Homepage und Theaterbussen für Zuschauer. DiL

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort