Frischer Wind aus Übersee

Populär-Kultur als Forschungsobjekt: Das wird hierzulande meist nur mit spitzen Fingern angefasst. Dass es auch anders geht, zeigt die Literaturwissenschaftlerin Suzanne Ferriss, die anlässlich der "Motorcycle"-Ausstellung in der Europäischen Kunstakademie ihr Betätigungsfeld für ein paar Wochen nach Trier verlegt hat.

 Motorradfan, Literatur-Prof, Mode-Expertin: Suzanne Ferriss vor ihren Lieblingswerken in der „Motorcycle“-Austellung in der Kunstakademie, einer Grafik-Serie von Clas Steinmann. TV-Foto: Dieter Lintz

Motorradfan, Literatur-Prof, Mode-Expertin: Suzanne Ferriss vor ihren Lieblingswerken in der „Motorcycle“-Austellung in der Kunstakademie, einer Grafik-Serie von Clas Steinmann. TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. Wer die Veröffentlichungsliste von Suzanne Ferriss in den vergangenen Jahren nachschlägt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Ein Standardwerk über "Literary Feminisms", Bücher über Mode und Schuh-Kult, eine Einführung in die Kultur des Motorrad-Fahrens, dazu umfassende Darstellungen von "Chick Lit" und "Chick Flicks", jenem boomenden Markt, der Trivial-Literatur und -Filme für junge Frauen produziert - was der "Spiegel" arg unelegant als "Hühner-Schmöker" übersetzte. Gemeint ist so etwas wie Rosamunde Pilcher für die Zielgruppe U-30.

Einem ordentlich spezialisierten deutschen Professor triebe die Themen-Vielfalt von Ferriss' Arbeiten den Angstschweiß auf die Stirn. Das muntere Nebeneinander von klassischer und Pop-Kultur, von Kunst und Kitsch, von empirischer Forschung und trendiger Analyse ist vielen Elfenbeintürmlern in deutschen Landen zutiefst suspekt.

Die charismatische Wissenschaftlerin von der Nova South eastern University in Fort Lauderdale (Florida) wundert sich über das ausgeprägte Bedürfnis, in "hohe" und "niedrige" Kultur zu differenzieren. "Cultural studies" gehörten in den USA zum Kern-Angebot jeder Hochschule, erzählt sie, und dabei werde der Populärkultur "keinen Deut weniger Bedeutung beigemessen" als den Klassikern. Auch die "Mauern zwischen den einzelnen Fächern" seien dort weniger ausgeprägt.

Forschen auf neuem Terrain



Das eröffnet Spielräume für eine Forscherin wie Ferriss, die, von der traditionellen anglistischen Literaturwissenschaft kommend, reichlich neues Terrain erobert hat. Und zwar durchaus spontan: "Eine Projekt-Idee ergibt die nächste", beschreibt sie ihre Vorgehensweise. So ist aus dem gemeinsam mit ihrem Mann Steven Alford betriebenen Hobby Motorradfahren eine Publikation entstanden, die dem Hochschullehrer-Paar inzwischen einen weltweiten Status als "Motorcycle-Experten" beschert hat.

Ihr gleichnamiges Buch stand auch Pate für das große Trierer Ausstellungsprojekt. Ferriss und Alford sind mit dem Trierer Amerikanistik-Professor Gerd Hurm befreundet, und der wiederum setzte die "Motorcycle"-Ausstellung, die am kommenden Samstag endet, auf die Schiene.

Erstmals hatte Hurm Suzanne Ferriss 2004 für ein Gast-Semester in Trier gewinnen können. Die Amerikanerin sorgte für "frischen Wind und im positiven Sinne für Wirbel", bilanzierte die Universität seinerzeit fast euphorisch. Und auch ihren jetzigen Aufenthalt nutzt sie für die Projekt-Arbeit mit Studierenden.

Auch da beobachtet sie Unterschiede. Deutsche Studenten seien den Vorlesungsstil gewöhnt und täten sich anfangs oft schwer mit dem von ihr bevorzugten "discussion format", also der Wissens-Erarbeitung in einem gemeinsamen Prozess.

Besucher sollen das Motorrad neu sehen



Mit der Ausstellung in der Kunstakademie ist sie sehr zufrieden. Sie sei "eine Herausforderung an die Besucher, das Motorrad neu zu sehen".

Jeden zweiten Tag war sie in den vergangenen Wochen da und hat sich besonders über Publikum gefreut, das sonst eher selten in Kunstausstellungen geht und sich "oft nach anfänglichem Misstrauen" auf die Ideen eingelassen hat.

Und weil sie schon mal da ist, widmet sie sich gleich einem weiteren Trierer Ausstellungs-Objekt: Am 5. Juli referiert sie um 11.15 Uhr im Stadtmuseum Simeonstift über "Mode, Weiblichkeit und Feminismus" in Zusammenhang mit der Barbie-Puppe. Denn auch das ist - wen wundert's - eines ihrer Fachgebiete.

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