Klingende Zeitreisen und Sängerglanz im Doppelpack

In der Philharmonie in Luxemburg auf dem Kirchberg steht im November Neue Musik im Mittelpunkt.

Luxemburg. (mö) So rasch ändern sich Pläne. Vom Flyer mit dem November-Programm der Philharmonie schaut Pierre Boulez noch mit einer Mischung aus Humor und Selbstironie - der brillante, wortgewandte Komponist, der in den 1950er Jahren die Opernhäuser in die Luft sprengen wollte und sich dann selber zum Operndirigenten entwickelte. Jetzt hat er abgesagt wegen einer Augenoperation und die Stabführung an Peter Eötvös weitergereicht. Der wird am 7. November das Ensemble Modern Orchestra leiten, wobei das Programm bestehen bleibt. Im Zentrum stehen die Orchesterstücke op. 6 und die Variationen op. 31 von Arnold Schönberg; außerdem stehen Uraufführungen von Jens Joneleit (*1968), Bruno Mantovani (*1974) und Johannes Maria Staud (*1974) an. Leider entfällt mit der Absage von Boulez auch eine Konstellation, die einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Immerhin war es Boulez, der einst den (künstlerischen) Tod Schönbergs proklamiert hatte.

Überhaupt dreht sich das November-Programm auf dem Kirchberg um Neue Musik. Die rainy days haben sich als kleines Avantgarde-Festival längst etabliert. Unter dem Motto "Musik ist eine Zeitmaschine" erprobt man vom 19. bis 28. November die Verbindung von Alt und Neu.

Kontraste von alter und zeitgenössischer Musik



Zur spektakulären Eröffnung werden an die 100 Musiker in der Luxemburger Altstadt eine Collage aus Kompositionen von Haydn bis Hendrix aufführen. "Gassatim-Konzert" heißt sie und stammt von Olga Neuwirth. Außerdem wird es an den folgenden Tagen spannende Konfrontationen geben - zwischen Johannes Ockeghem (1420-1495) und Brice Pauset (geb. 1965), zwischen Haydns "Sieben Worten" (1785) und Bernhard Langs "Monadologie" (2010), zwischen Bachs "Musikalischem Opfer" und "Accanto" von und mit Helmut Lachenmann. Mit dem Arditti-Quartett und dem Auryn-Quartett sind zwei Spitzenensembles dabei. Zum 75. Geburtstag von Lachenmann veranstalten die rainy days sogar ein rund vierstündiges Ständchen.

Indes: Niemand muss befürchten, dass Neue Musik auf dem Kirchberg zum Monopolstil avanciert. Mit den New Yorker Philharmonikern (3./ 4. 11.) unter Alan Gilbert und dem London Symphony Orchestra unter Colin Davis ( 12./13. 11.) gastieren zwei Welt-Orchester auf dem Kirchberg. Lang Lang gibt am 21. November ein Solo-Recital, die Solistes Européens konzertieren am 15. November unter dem Motto "Wenn die Streicher Besuch bekommen", und das Orchestre Philharmonique befasst sich unter Leitung von Jukka-Pekka Saraste mit Schönbergs "Pelleas" (18./19.11). Mit Sonny Rollins (8. 11.) und Brad Mehldau (16. 11.) kommen zwei Jazz-Größen, Ian Bostridge und Angelika Kirchschlager liefern Sängerglanz im Doppelpack (10. 11.), und das Cuarteto Casals (24.11.) verspricht gediegene Kammermusik.

Telefon 00352/26322632.

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