Konkurrenz belebt das Geschäft

Trier · Die stark ausgeprägte Trierer Chorlandschaft gerät zunehmend in Bewegung. Langjährige Führungsköpfe haben sich zurückgezogen, die Nachfolger tun sich schwer, neue Chöre werden gegründet, "alte" suchen nach zeitgemäßen Konzepten. Die Neuaufstellung der Dommusik wirbelt die Szene nun kräftig durcheinander.

 Teilen sich die Verantwortung für die Chöre im Dom: Thomas Kiefer (links) und Stephan Rommelspacher. TV-Foto: Gerhard Kluth

Teilen sich die Verantwortung für die Chöre im Dom: Thomas Kiefer (links) und Stephan Rommelspacher. TV-Foto: Gerhard Kluth

Trier. Die Meldung des bischöflichen Pressedienstes klingt recht nüchtern: "Ab sofort", heißt es, werde es "vier Chöre am Trierer Dom geben" - statt der bisherigen zwei. Die Jugendkantorei wird in je einen separaten Jungen- und Mädchenchor aufgeteilt, und neben den klassischen Domchor tritt künftig ein "Vokalensemble Dom zu Trier". Man wolle "das Potenzial der Jungen und Mädchen besser zur Geltung bringen", sagt Domkantor Thomas Kiefer. Sein Chef, Domkapellmeister Stefan Rommelspacher, wird künftig den Mädchenchor und den Domchor leiten, Kiefer kümmert sich um die Jungs und das Vokalensemble.

Mit der Erweiterung betritt die Dommusik ein Terrain, das bislang anderen vorbehalten war. Der Knabenchor wird, wie schon der Name "Domsingknaben" deutlich macht, in direkte Konkurrenz zu den alteingesessenen "Trierer Sängerknaben" treten. Der Traditionschor kämpft seit vielen Jahren händeringend um Nachwuchs und sucht gerade nach neuen Wegen. Der legendäre Chorgründer Bruder Basilius ging 2007 in Ruhestand, sein Nachfolger schied im Frühjahr im Unfrieden, nun will der neue Leiter Volker Krebs mit verstärkter Stimmbildung, einem "Probejahr" und zusätzlichem Unterricht in Kleingruppen dem Nachwuchs attraktive Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Das dürfte nicht einfacher werden, wenn gleichzeitig die Dommusik für ihre neuen Domsingknaben trommelt. Aber es gehe nicht um Konkurrenz, versichert Kiefer, sondern darum, die Jungs aus der Jugendkantorei von ihrem Status als Anhängsel der Mädchen zu befreien. "Allein sind die viel besser zu motivieren und bringen ganz andere Leistungen", sagt der erfahrene Musikpädagoge. Das entspreche auch "den bewährten Konzepten vieler anderer Dommusiken in Deutschland, die wir analysiert haben".

Auch das künftige Vokal-Ensemble für Erwachsene wolle keineswegs Sänger von anderen Chören abziehen. "Es gibt in Trier musikalische Bereiche, die kaum abgedeckt sind", analysiert Kiefer. Das Vokalensemble soll sich als "A-Cappella-Chor in Kammerstärke" vor allem der zeitgenössischen Musik und den Werken des 20. Jahrhunderts widmen. "So etwas kann Trier gut gebrauchen", glaubt Kiefer.

Die Moderne war über lange Zeit Domäne des Friedrich-Spee-Chors. Und ein Steckenpferd seines Leiters Martin Folz, der den Chor 2008 verließ. Unter seinem Nachfolger Thomas Hofereiter wurde solide gearbeitet, aber nicht unbedingt das Profil geschärft. Zum Jahresende hört Hofereiter, der stets aus Thüringen nach Trier anreisen musste, aus beruflichen Gründen wieder auf. In welche Richtung sich der Chor dann entwickelt, ist noch nicht absehbar. "Das hängt stark vom künftigen Leiter ab", sagt die Vorsitzende Ursula Wirtz. Aus dem Markt der Kinderchöre ist man bis auf weiteres ausgestiegen, seit Folz bei seinem Abschied die Jugendabteilung quasi mitgenommen hat.

Recht gelassen sieht man die neuen Entwicklungen bei einem weiteren Riesen der Trie rer Szene, dem Konzertchor. "Bei uns bleibt alles beim Alten", sagt Chorleiter Manfred May und verweist auf das Triptychon aus Konzertchor, Kammerchor und Kinderchor. Allerdings, so berichtet auch er, sei der Nachwuchs zunehmend dünner gesät. Mit seinem Schwerpunkt im romantischen Repertoire dürfte der Konzertchor kaum mit dem neuen Vokalensemble kollidieren.

Freilich geht May, der Gründer, Motivator, unermüdliche Antreiber und unumstrittene Chef des Konzertchors, auf den 73. Geburtstag zu. Irgendwann wird die Nachfolgefrage anstehen, und damit auch die Stunde der Wahrheit.

Meinung

Neue Impulse nutzen

In jeder Veränderung stecken Chancen. Auch eine Chorlandschaft, die so toll und vielfältig ist wie in Trier, kann ab und zu neue Impulse gebrauchen. Vielleicht kommen sie diesmal aus dem Dom. Schön wäre aber auch, wenn die Chöre in Trier mehr miteinander reden und unternehmen würden. Initiativen wie die vor Jahren gestartete gemeinsame Werbung sind wieder eingeschlafen, jeder arbeitet für sich allein. Absprachen über Konzepte, Repertoire, Angebote scheint es kaum zu geben. Das ist letztlich zum Nachteil aller. d.lintz@volksfreund.de

Extra

Das Chorleben in Trier gilt als außerordentlich reichhaltig in Relation zur Größe der Stadt. Es gibt allein vier Laien-Konzertchöre in großer Besetzung und auf hohem Niveau: Den Domchor, den Bachchor sowie die "weltlichen" Friedrich-Spee-Chor und Trierer Konzertchor. Es gibt den Chor des Collegium musicum an der Uni, den Kammerchor "Cantores Trevirenses", den Caspar-Olevian-Chor, den "Trierer Kammerchor" und das Vokal-Ensemble Contrapunto. Der Extra-Chor des Theaters bietet für große Opern-Produktionen bis zu 80 Sänger auf. Dazu kommen mehr als 20 klassische Stadtteilchöre, Männergesangvereine, Frauenchöre, Gospel- und Shantychöre sowie Post- und Polizeichöre. Infos im Internet: www.dommusik-trier.de; www.speechor.de; www.konzertchor-trier.de; www.trierer-bachchor.de; www.trierer-saengerknaben.de; www.cantores-trevirenses.de; www.collegiummusicum.uni-trier.de

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