Bücher Dänen lügen nicht? Von wegen!

Der Balkankrieg hat beim Elitesoldaten Niels Oxen tiefe Spuren hinterlassen: Schwer traumatisiert kehrt er in seine Heimat zurück und findet nicht mehr in sein vorheriges Leben. Mit seinem Hund Mr. White verkriecht er sich deshalb in den Wäldern Dänemarks – und gerät unversehens in einen Mordfall. Mehr noch: Er ist der Hauptverdächtige im Zusammenhang mit dem Tod eines Botschafters. Dennoch bietet ihm der Chef des Inlandsnachrichtendienstes an, bei den Ermittlungen mitzuwirken. Denn Oxen ist nicht nur Elitesoldat, sondern auch ein ehemaliger Polizeischüler, der seine Ausbildung – offenbar grundlos – abgebrochen hat.

 "Oxen" von Jens Henrik Jensen

"Oxen" von Jens Henrik Jensen

Foto: TV/dtv Verlag

Das wissen diejenigen, die ihn als „Undercover“-Agenten beschäftigen – auch Margrethe Franck, die ihm sicherheitshalber an die Seite gestellt wird. Beide sind sich zunächst überhaupt nicht grün und schleichen misstrauisch umeinander herum, nicht zuletzt deshalb, weil sie Ermittlungsergebnisse voreinander geheimhalten.

Bei seinen Ermittlungen, während denen weitere Morde geschehen, stößt Oxen auf ein ziemlich undurchdringliches Dickicht aus Geheimabsprachen und Intrigen, die bis in die höchsten Regierungskreise des Landes reichen … und zum Schluss sogar zu einer Bedrohung für die ganze Nation werden. An Verschwörungstheorien mangelt es der Geschichte jedenfalls nicht.

Das alles mag ein bisschen dick aufgetragen erscheinen, und das Motiv „David gegen Goliath“ in Jens Henrik Jensens Roman „Oxen“ ist ja nun auch nicht mehr so neu. Wie der Autor seine Geschichte allerdings erzählt – in filmisch kurzen Szenen, die den Leser zu Beginn der Geschichte bewusst in die Irre führen, mit raffiniert konstruierten Spannungsbögen, die unvermittelt abbrechen und an anderer Stelle wieder aufgenommen werden, mit einer für skandinavische Krimis üblichen Dosis Sozialkritik: Das macht diesen Roman zu einem veritablen „page turner“, wie im angelsächsischen  Raum jene Krimis genannt werden, die man nicht mehr aus der Hand legen kann bis zur letzten Seite. Und als Oxen endlich merkt, dass auch er nur eine Schachfigur in dem Spiel ist, über dessen Verlauf ganz andere entscheiden, hat sich die Schlinge längst auch um seinen Hals gelegt und zieht sich immer enger zu.

Doch wo der Roman endet, endet die Geschichte noch lange nicht. „Oxen“ ist als Trilogie angelegt, und so wird man – vermutlich – erst nach Folge Nummer drei erfahren, was es mit den mysteriösen und einflussreichen Mitgliedern des „Danehof“ auf sich hat, jener im Mittelalter gegründeten Institution, die sich vom König die oberste Gerichtsbarkeit ins Parlament holte und die einflussreiche Politiker und Geschäftsleute für ihre Zwecke zu neuem Leben erweckt haben, um ihrerseits zu Gericht über ihre Feinde zu sitzen – quasi ein Fall von kollektiver Selbstjustiz.

Übrigens: Die Filmrechte für „Oxen“ sind bereits verkauft. Und da skandinavische Krimis auch hierzulande Hochkonjunktur haben, dürften die drei Folgen (die auf Dänisch bereits vorliegen) demnächst auch bei uns zu sehen sein.

Rainer Nolden

Jens Henrik Jensen, „Oxen: Das erste Opfer“, aus dem Dänischen von Friederike Buchinger, Deutscher Taschenbuchverlag, 461 Seiten, 16,90 Euro.

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