Adliges Unternehmen mit Schlossgespenst

Föhren · Die Realität ist anders als im Märchen. Ein Schloss zu besitzen ist nicht nur Privileg, es fordert auch viel. Schloss Kesselstatt in Föhren ist so ein Beispiel. Um es unterhalten zu können, braucht es Ideen, Einsatzbereitschaft und betriebswirtschaftliches Geschick.

Föhren. In Schloss Kesselstatt herrscht rege Betriebsamkeit. An der Einfahrt hievt ein Kran Teile für die neue Heizungsanlage an ihren Platz. Ein Maler verpasst dem Erdgeschoss einen neuen Anstrich, im ersten Stock des Schlosses werden Schlitze für neue Strom- und Wasserleitungen geklopft, und aus dem Park dröhnt der Rasenmäher. Allein die Geräuschkulisse zeigt, dass an allen Ecken und Enden an der Instandhaltung des Föhrener Anwesens der Reichsgrafen von Kesselstatt gearbeitet wird.
Als Reichsgraf Rudolf von Kesselstatt das Anwesen vor 30 Jahren als ältester Sohn übernahm, war ihm klar, was auf ihn zukommen würde. Seitdem hat er alle 140 Fenster auswechseln, die Dächer neu decken und den Komplex neu anstreichen lassen. Aktuell wird eine neue Heizanlage eingebaut. Hackschnitzel statt Öl, um die horrenden Kosten zu senken, die im vergangenen Jahr 40 000 Euro auffraßen.
Der Park könnte die nächste große Investition bedeuten. Denn dort verlandet die Teichanlage zusehends und die angrenzende Sandsteinterrasse verfällt. Um sie in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen, müsste der Graf bis zu einer Million Euro in die Hand nehmen.
Undenkbar ohne finanzielle Hilfe vom Denkmalschutz, schüttelt er abwiegelnd den Kopf. Aber er weiß, dort sind die Kassen leer. Seit zwanzig Jahren gab es keine Unterstützung mehr. Und denkmalgerechte Renovierung ist teuer.
Um das Schloss und die zugehörigen Wirtschaftsgebäude erhalten zu können, haben Reichsgraf von Kesselstatt und seine Frau Alexandra verschiedene Betriebe aufgebaut. Da sie selbst nur 180 der 600 Quadratmeter des Haupthauses bewohnen, sind in den übrigen Räumen die Büros und eine Filiale des Standesamtes Schweich eingerichtet worden. In den Nebengebäuden sind drei Wohnungen dauerhaft vermietet, zwei dienen als Ferienwohnungen - sehr beliebt und nonstop ausgebucht.
In der Zehntscheune ist von April bis Oktober Hochbetrieb mit Hochzeiten, danach kommen die Weihnachtsfeiern. Von Januar bis März könnte die den Eventbereich managende Gräfin vielleicht durchatmen, wenn dann nicht die Zeit für Instandsetzungsarbeiten wäre. Es gibt so viel zu tun, dass Alexandra Gräfin Kesselstatt ihren Arztberuf vor zehn Jahren an den Nagel gehängt hat.
Alle paar Minuten klingelt ihr Handy. Das ihres Mannes ebenfalls. Nach dem Studium von Weinbau und Betriebswirtschaft hat er ein Bauunternehmen aufgebaut, dazu kommt der Forstbetrieb.
Während für ihn immer klar war, in 23. Generation die Verantwortung für den Familienbesitz zu übernehmen, musste seine Frau, Tochter aus einer bürgerlichen Trierer Familie, erst in die Rolle der Schlossherrin hineinwachsen. Dabei half ihr die Schwiegermutter, die heute noch mit ihrem Mann im Nebengebäude des Schlosses lebt. Sie brachte dem Stadtkind bei, das Schloss mit selbst gemachten Sträußen, Gestecken und Kränzen zu schmücken, Obst und Gemüse anzubauen, Marmelade einzukochen und Gäste mit eigenem Wild zu bewirten. Die Rolle der Gastgeberin ist ihr ans Herz gewachsen. Und Familie und Freunde nutzen das Angebot, immer willkommen zu sein.
In den Gästezimmern taucht nachts hin und wieder auch eine ungebetene Person auf. Die "weiße Frau", das Schlossgespenst. So hat es schon mancher Übernachtungsgast mit kreidebleichem Gesicht erzählt.
Die Grafen stört es nicht. "Wir wissen, dass wir hier in einem kleinen Paradies leben", sagt Rudolf Graf Kesselstatt. "Wir haben eine Menge Herzblut reingesteckt." Dennoch freuen er und seine Frau sich auf ein Leben in einer kleinen, überschaubaren Wohnung. "Wir hoffen, den Wanderpokal in zehn Jahren weitergeben zu dürfen", schätzt die Gräfin. Generation 24 freut sich drauf.Schloss Kesselstatt stammt aus dem 14. Jahrhundert und war im Besitz der Abtei Prüm, die es als Lehen vergab. 1340 wurde der einstige Gutshof zu einer befestigten Burg umgebaut. Friedrich von Kesselstatt und sein gleichnamiger Sohn kauften sie 1445. Seitdem ist das Anwesen ununterbrochen im Besitz der Familie von Kesselstatt. 1663 wurde die Burg in das barocke Schloss umgebaut, das man heute kennt. Erst dann wurden Süd- und Nordflügel zu einem Karree miteinander verbunden. Rund um das Schloss wurde ein Wassergraben angelegt, der 1949 wieder trockengelegt wurde. sys

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort