Ein Mann der leisen Töne

STARKENBURG. Ein nicht alltägliches Jubiläum feiert dieser Tage Dieter Hanß aus Enkirch. Seit 50 Jahren spielt er die Orgel in der Starkenburger Kirche. Begonnen hat er als 14-Jähriger.

"Schreiben Sie nicht so viel, ich spiele ja nicht besonders gut." Dieter Hanß ist es fast schon peinlich, dass sich plötzlich die Zeitung für ihn interessiert. Seit 50 Jahren ist der 64-Jährige Organist in Starkenburg - ein Jubiläum, dass, wie wir meinen, mit mehr als ein paar Zeilen in der Tageszeitung erwähnt werden sollte. "Dieter Hanß ist ein ruhiger, besonnener, zurückhaltender und bescheidener Mensch, der nicht nur an der Orgel die leisen Töne liebt." So heißt es im aktuellen evangelischen Gemeindebrief Enkirch-Starkenburg. Aufhebens machen um seine Person, das mag er nicht.Mächtig aufgeregt vor dem ersten Choral

Und wenn ihm am morgigen Sonntag im Gottesdienst und beim anschließenden Umtrunk gedankt wird, freut er sich zwar, aber so richtig wichtig ist ihm das nicht. Es war Ostern 1954, als er zum ersten Mal ganz offiziell den Gottesdienst an der Orgel begleitete. 14 Jahre war er damals erst alt - und natürlich mächtig aufgeregt. Wochenlang hatte er den schönen Choral "Lobe den Herrn" geübt. Immer und immer wieder die Melodie und den eingängigen Rhythmus auf der kleinen aber feinen Stummorgel gespielt. Und weil es auf Anhieb so gut klappte, blieb er dabei. Die Starkenburger hatten endlich auf Dauer wieder einen Organisten. Hanß stammt aus einer musikalischen Familie. Sein Vater, ein guter Sänger, war viele Jahre Vorsitzender des Gesangvereins Starkenburg, und seine Mutter sorgte dafür, dass bereits in den 30er Jahren ein Klavier ins Haus kam. Dieter Hanß und seine Geschwister Werner und Adele lernten das Klavierspiel. Dieter Hanß, der Jüngste der drei, erhielt zusätzlich eine kurze Ausbildung an der Orgel beim damaligen Kirchenmusikdirektor Kurig aus Traben-Trarbach. In all den Jahren spielte Hanß in Starkenburg Sonntag für Sonntag die Orgel, dabei hat er - außer in der Urlaubszeit - so gut wie nie gefehlt. "Ich glaube, zwei oder drei Mal konnte ich nicht, weil ich erkrankt war", sagt Hanß. Er hat noch erlebt, dass der Blasebalg der Orgel manuell vom Küster mit Fußtritten betätigt wurde. Mitte der 60er Jahre wurde der Blasebalg "elektrifiziert". Wohlweislich bestand das Presbyterium aber darauf, den alten Mechanismus nicht auszubauen. Und so kam es, dass mitten während eines Gottesdienstes an einem heißen Sommertag ein Gewitter niederging und der Strom ausfiel. Dieter Hanß winkte einen jungen Mann von der Empore an die Orgel, der dann kräftig mit den Füßen den Blasebalg bearbeitete. Am liebsten spielt Dieter Hanß Choräle. "Es sind uralte Lieder mit einem ganz besonderen Rhythmus. Da ist einfach Musik drin. Da kann man alle Schlager und Pop-Lieder vergessen", sagt er. Die größte Freude bereiten ihm die Gottesdienstbesucher, wenn sie kräftig mitsingen. Hanß versteht sich nicht als Solist, sondern als Begleiter der singenden Gemeinde. "Orgelspiel zusammen mit schönem Gesang, das ist für mich wie Honig mit Brot." Trotz seiner Erfahrung ist Hanß auch heute noch gelegentlich aufgeregt. Zum Beispiel, wenn an Weihnachten der Ablauf der Gottesdienste anders ist und höchste Konzentration gefordert ist. "Früher", sagt Hanß, "früher habe ich davor schon mal einen Schoppen Wein getrunken. Aber das mache ich nicht mehr. Man kann sich ansonsten nicht mehr hundertprozentig konzentrieren."

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