Geldnot drängt Fraktionen in die Enge

Bernkastel-Wittlich · Sparen, aber wie? Mit dieser Frage muss sich der Kreistag in den kommenden Monaten noch dringender befassen als sonst. Denn er hat keine Wahl mehr.

Bernkastel-Wittlich. Achselzucken, fragende Blicke, Gesten der Hilflosigkeit. Wo Politiker in der Regel auf jede Frage eine Antwort finden, bleibt sie in dieser Sache dünn. 403 000 Euro muss der Kreis vom 1. Januar 2012 an jährlich sparen, denn er hat sich zur Teilnahme am kommunalen Entschuldungsfonds entschlossen. Erreicht er dieses Sparziel, erhält er das Doppelte des Betrags, um die Schulden wegen laufender Ausgaben von 22 auf dann etwa sieben Millionen Euro zu senken. Der Fonds finanziert sich zu je einem Drittel aus Landesmitteln, dem kommunalen Finanzausgleich und den sogenannten Konsolidierungsbeiträgen, also dem Geld, das die Gemeinden einsparen.
Doch wenn dieser Vertrag zwischen Kreis und Land abgeschlossen wird, muss der Kreistag eine Liste mit Sparmöglichkeiten oder zusätzlichen Einnahmen aufführen. Und die ist noch leer. Wie sie gefüllt werden soll, weiß noch keiner. Die Verwaltung ist damit beauftragt, Vorschläge zu unterbreiten. Darüber wird der Kreistag in seiner Etatsitzung am 12. Dezember entscheiden.
"Das wird ein schwerer Kampf", kündigen die Fraktionsvorsitzenden an. "Aber wenn wir nicht mitmachen, fehlt uns das Geld, das wir anteilig bekommen", sagt Dirk Richter (FDP). Der Kreis habe keine andere Wahl. Doch als ehrenamtliche Fraktionsvorsitzende seien sie damit überfordert, aus einem Haushalt noch mehr herauszuholen, der bereits in den vergangenen Jahren ausgequetscht worden sei.
Konkrete Ideen fehlen


Einsparpotenziale sieht er dank des Leitspruchs "Ambulant vor stationär" bei der Jugend- sowie der Altenpflege. Zudem müssten teure Standards überdacht werden, beispielsweise bei den Kindertagesstätten. "Soziales, Jugend und Kultur sind die Hauptkostenträger."
Gertrud Weydert, Grüne, sagt: "Einen Ansatz, wo gespart werden soll, sehe ich noch nicht." Das Problem müsse von oben gelöst werden, über eine "vernünftige Gebietsreform" mit Auflösung der Verbandsgemeinden. "Diesen Verwaltungsapparat können wir uns nicht mehr leisten." Auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Bettina Brück spricht sich für Umstrukturierungen in der Verwaltung aus, um effizienter zu arbeiten. Aus Sicht von Rainer Stablo (Die Linken) müsse man bei den teuren Kreisstraßen die Frage aufwerfen, welche von ihnen überhaupt gebraucht werden.
Auch die FWG hat noch keine konkreten Ideen. "Wir müssen an die Pflichtaufgaben ran", sagt Karl-Heinz Erz. Nicht gespart werden dürfe bei Touristik und Kultur, "das wäre bei dieser bedeutenden Wirtschaftsförderung fatal."
CDU-Fraktionsvorsitzender Jürgen Jakobs schließt sich den Kreistagskollegen an: "Ich habe ehrlich gesagt derzeit noch keine Idee." Die RWE-Aktien zu verkaufen wäre wegen ihres derzeit niedrigen Stands unrentabel, die Kreisumlage müsse wegen der wahrscheinlichen Übernahme der Realschulen plus ohnehin erhöht werden, "aber sonst hat der Landkreis ja nichts".
FDP-Mann Richter folgert: "Es wird ein Zähneklappern geben - und noch viel Wasser die Lieser herunterfließen, bis das läuft. Ich will nicht einmal sagen, dass wir das schaffen. Aber wir werden uns bemühen."Meinung

Ran an den Speck
Der Kreistag beschließt ein Vorhaben, ohne zu wissen, ob er es überhaupt verwirklichen kann. Das ist prekär. Mit den Schultern zu zucken genügt nicht - die Fraktionen müssen erklären, wie der Kreis sparen soll. Da bringt es nichts, auf die Finanzstrukturen zu schimpfen, sie müssen mit ihnen leben. Das gute Zeichen: Alle Fraktionsvorsitzenden erklären, dass sie an einem Strang ziehen wollen. Das ist auch unerlässlich. Jetzt ist keine Zeit für Schaukämpfe. u.quickert@volksfreund.de Die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände haben 2010 die Rahmenvereinbarung zum Kommunalen Entschuldungsfonds unterzeichnet. Ziel ist es, die hohen Schulden zurückzufahren, die Kommunen vielerorts angehäuft haben, um laufende Ausgaben zu decken. Schon allein die Zahlung der Zinsen belastet die Haushalte erheblich. Der Kreis Bernkastel-Wittlich steht Ende 2011 voraussichtlich mit 70 Millionen Euro in der Kreide. "Der Konsolidierungsvertrag verlangt tiefgreifende eigene Anstrengungen zur Entschuldung der teilnehmenden Kommunen wie Steuererhöhungen oder Einsparungen im Haushalt", heißt es aus der Staatskanzlei. Insgesamt sollen die Liquiditätskredite zur Deckung laufender Ausgaben in allen teilnehmenden Kommunen um zwei Drittel reduziert werden. Ende 2009 betrugen sie beim Kreis 22 Millionen Euro. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion begleitet und kontrolliert den Prozess. So muss die Kommune auch beweisen, dass das Veräußern von Vermögen nicht möglich oder unwirtschaftlich ist. Der Fonds hat eine Laufzeit von 15 Jahren. uq

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